Methoden und Wissen

Leitfaden digitale Nachhaltigkeit: Warum IT-Unternehmen jetzt handeln sollten

01. Dezember 2025 / Annekathrin Gut

Unternehmen verschaffen sich mit einer digitalen Nachhaltigkeitsstrategie Vorteile – wirtschaftlich, personell und strategisch. Durch effizientere Infrastruktur, längere Nutzung von Hardware und eine optimierte Software lassen sich ganz real Kosten sparen. Positiv wirkt sich die Nachhaltigkeitsstrategie auf Fachkräfte aus. Ungeahnte Synergien entstehen auch bei Aspekten wie Innovation oder digitaler Barrierefreiheit. Wir zeigen, wie Sie vorgehen können.

Daten und Fakten zu IT-Emissionen

Die Zahlen sprechen für sich: Die IT verursacht heute 4 bis 5 Prozent der weltweiten Emissionen, das ist mehr als der Flugverkehr. Bis 2040 könnten es 14 Prozent sein, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Mit dem zunehmenden Einsatz von KI wird der Energieverbrauch noch einmal deutlich stärker ansteigen. Es gibt jedoch Möglichkeiten, wie in der IT für mehr Effizienz und Ressourcenschonung gesorgt werden kann.

Mehrfacher Gewinn statt reiner Kostenfaktor

Die Rechnung ist relativ einfach: Effizientere Infrastruktur senkt die Betriebskosten. Hardware, die länger genutzt wird, spart Anschaffungskosten. Optimierte Software reduziert Rechenzeit und Datentransfer. Diese Einsparungen addieren sich zu relevanten Summen.

Dazu kommt der Markt. Ausschreibungen berücksichtigen zunehmend Umweltkriterien. Kunden fragen nach CO₂-Bilanzen und Partner erwarten Transparenz in der Lieferkette. Auch beim Personal zahlt sich Nachhaltigkeit aus: Gerade junge Fachkräfte achten auf die Werte ihrer Arbeitgeber. Ein Unternehmen, das Nachhaltigkeit ernst nimmt, bindet Mitarbeitende stärker und wird für neue Talente attraktiver.

Nicht zuletzt wächst der regulatorische Druck: Die Corporate Sustainability Reporting Directive oder das Lieferkettengesetz betreffen nach und nach auch kleinere Unternehmen, direkt oder über die Wertschöpfungskette. Wer sich frühzeitig vorbereitet, vermeidet späteren Zeitdruck.

Effizienz allein reicht nicht

Viele Unternehmen setzen auf Effizienz: leistungsfähigere Chips, sparsamere Rechenzentren, virtualisierte Systeme. Das ist wichtig, aber nicht ausreichend. Denn der Gesamtverbrauch steigt trotzdem weiter an.

Ein Beispiel: Moderne Rechenzentren sind heute deutlich energieeffizienter als früher. Gleichzeitig werden mehr Daten verarbeitet und gespeichert als je zuvor. Hier greift der Rebound-Effekt: Einsparungen werden durch Mehrverbrauch wieder aufgezehrt.

Nachhaltigkeit heißt also nicht nur „mehr mit weniger". Es geht auch um bewussten Umgang mit Ressourcen, längere Lebenszyklen und darum, unnötige Prozesse zu vermeiden.

Glaubwürdigkeit durch Konsistenz

IT hat das Potenzial, andere Branchen durch effizientere Prozesse, datenbasierte Entscheidungen oder Automatisierung nachhaltiger zu machen. Doch dieses Potenzial kann nur ausgeschöpft werden, wenn die IT selbst nachhaltig aufgebaut ist.

Ein Unternehmen, das grüne Lösungen anbietet, selbst aber auf ineffiziente Rechenzentren, kurze Gerätezyklen und schlecht gewartete Software setzt, verliert an Glaubwürdigkeit. Kunden und Partner merken das.

8 Handlungsempfehlungen: So können Sie vorgehen

1. Den eigenen Fußabdruck verstehen

Ein sinnvoller erster Schritt ist es, den ökologischen Fußabdruck zu erfassen. Wichtig: Nicht nur direkte Emissionen wie Stromverbrauch im Büro zählen, sondern auch indirekte, also eingekaufte Dienstleistungen, Rechenzentren, Hardwareproduktion. Das Scope 1-3 Modell des Greenhouse Gas Protocols bietet einen Rahmen dafür.

Gerade in der IT liegt ein Großteil der Emissionen in Scope 3 – also in Bereichen wie Cloud-Nutzung oder dem Lebenszyklus beschaffter Hardware. Wer für sein Unternehmen Transparenz schafft, kann gezielt Maßnahmen entwickeln.

2. Infrastruktur optimieren

Die IT-Infrastruktur bietet vielfältige Ansatzpunkte:

  • Cloud-Ressourcen prüfen: Lasten konsolidieren, Zombie-Server identifizieren und abschalten, energieeffiziente Anbieter wählen,
  • Strom aus erneuerbaren Quellen beziehen – intern und über Hosting-Partner,
  • Hardware nachhaltig beschaffen: auf Langlebigkeit, Reparierbarkeit und Zertifizierung achten; wenn möglich generalüberholte Geräte verwenden,
  • Virtualisierung und Effizienz steigern durch Containerisierung, Load Balancing oder gezieltes Monitoring.

Entscheidend ist nicht nur, wie viel Strom verbraucht wird, sondern auch wie effizient die Geräte betrieben werden. In vielen Rechenzentren liegt der Stromverbrauch im Leerlauf 30 Prozent über dem Idealwert. Server sollten ausgelastet werden, bevor Software-Optimierungen greifen.

3. Hardware länger nutzen

Ein Großteil der Treibhausgasemissionen entsteht nicht bei der Nutzung, sondern bereits bei der Herstellung. Daher sind diese Fragen wichtig: Wie lange benutze ich meine Geräte? Repariere ich, bevor ich austausche? Woher beziehe ich Hardware und wohin kommt sie danach?

IT-Unternehmen sollten auch prüfen, wie sich die Anforderungen ihrer Software an die Endgeräte der Kunden entwickeln. Stetig steigende Komplexität oder ressourcenintensive Funktionen können zu vorzeitiger Obsoleszenz führen. Update-Strategien, ressourcenschonende Entwicklung und Kompatibilität mit älterer Hardware helfen, Geräte länger im Einsatz zu halten.

4. Software nachhaltig entwickeln

Software hat direkten Einfluss auf Energie- und Ressourcenverbrauch. Effizienter Code reduziert Rechenzeit, Datentransfer und Speicherbedarf. Schlanke Frontends schonen Endgeräte, besonders bei mobiler Nutzung. Eine klare Datenstrategie hilft: Nur speichern, was wirklich gebraucht wird.

Ein Beispiel aus einem Bericht des Umweltbundesamtes zeigt den Unterschied: Zwei Textverarbeitungsprogramme mit gleicher Funktionalität wurden getestet. Das eine verbrauchte 3,6 Wattstunden, das andere nur 0,93 Wattstunden, also fast viermal weniger. Diese Unterschiede liegen oft in Details der technischen Umsetzung: Speicherverwaltung, Hintergrundprozesse, GUI-Komponenten oder Speicherroutinen.

Je stärker eine Software skaliert, desto stärker wirken sich kleine Einsparungen aus. Es lohnt sich zu messen: Welche Teile der Software werden besonders häufig genutzt? Wie viel Energie verbraucht eine typische Funktion? Der Software Carbon Intensity (SCI) Score der Green Software Foundation bietet hier einen Anhaltspunkt.

5. Stromverbrauch bewusst steuern

Neben der Menge des verbrauchten Stroms ist auch entscheidend, wann und wo er verbraucht wird. Der CO₂-Faktor des Strommixes variiert je nach Tageszeit und Region stark, unter anderem durch den unterschiedlichen Einsatz erneuerbarer Energien.

Timeshifting, die gezielte Verlagerung energieintensiver Arbeit in Tageszeiten mit hohem Ökostromanteil, kann ohne technische Eingriffe Emissionen reduzieren. Dies ist besonders bei rechenintensiven, nicht zeitkritischen Aufgaben sinnvoll.

Auch die Standortwahl von Rechenzentren beeinflusst die Klimabilanz. Wer langfristig einen Standort mit hohem Anteil erneuerbarer Energien nutzt, profitiert von einer nachhaltigeren Strombasis.

6. Bewusstsein intern stärken

Technische Maßnahmen sind wichtig, aber ohne gemeinsames Verständnis bleibt Nachhaltigkeit Stückwerk. „Green Teams“ oder die Integration des Themas in bestehende Strukturen helfen. Workshops, interne Talks oder Mini-Challenges machen das Thema greifbar. Transparenz durch CO₂-Kennzahlen oder Nachhaltigkeitsziele im Unternehmen schafft Orientierung.

Gerade in Tech-Teams hilft es, Nachhaltigkeit als Gestaltungsaufgabe zu vermitteln, nicht als reine Compliance-Pflicht.

7. Digitale Barrierefreiheit mitdenken

Eine oft unterschätzte Komponente ist die Barrierefreiheit. Sie ermöglicht Menschen mit Einschränkungen den Zugang zu digitalen Angeboten. Seit dem 28. Juni 2025 ist sie für viele Unternehmen gesetzlich verpflichtend.

Gleichzeitig trägt barrierefreies Design zur Effizienz bei. Klare Strukturen, reduzierte Inhalte und optimierte Navigation verbessern nicht nur die Nutzbarkeit, sondern oft auch Ladezeiten und Energieverbrauch. Nachhaltige IT ist nicht nur ökologisch, sondern auch sozial inklusiv.

8. Neue Lösungsansätze entdecken

Wer sich mit Nachhaltigkeit beschäftigt, entdeckt oft neue Ansätze und Geschäftsmodelle. Green Coding führt nicht nur zu weniger Energieverbrauch, sondern oft auch zu schnelleren Ladezeiten und besserer Performance. Modularität und Reparierbarkeit in der Hardware erhöhen nicht nur die Lebensdauer, sondern schaffen auch neue Servicestrukturen.

Nachhaltigkeit ist kein Innovationshindernis, sondern ein Rahmen, der zu besseren und langlebigeren Lösungen führt.

Der richtige Zeitpunkt ist jetzt

Es geht nicht darum, schon morgen zu hundert Prozent nachhaltig zu sein. Doch Unternehmen sollten auch nicht zu lange warten. Ein erstes Monitoring, kleine interne Projekte und bewusste Entscheidungen beim Einkauf schaffen eine solide Basis für die Weiterentwicklung.

Auch das gemeinsame Gespräch hilft – mit Kolleginnen und Kollegen, Kunden, Lieferanten. Denn nachhaltige IT entsteht nicht im Alleingang, sondern durch gemeinsame Standards, Offenheit und Austausch.

Ein Monitor steht vor einem Aquarium

Über diesen Artikel

Simon Fenske und Annekathrin Gut engagieren sich von Beginn an in der Initiative „Code & Klima – Forum für nachhaltige IT" des Branchenverbands bremen digitalmedia e. V. Dieser Artikel basiert auf dem „Wegweiser für nachhaltige IT", den die Gruppe entwickelt hat. Das Whitepaper von Dr. Nicole Höher entstand mit Unterstützung von Anita Schüttler, Simon Fenske und Christiane Bodammer.

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