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„Ressourceneffizienz ist das Thema unserer Zukunft“: Wie nachhaltige IT gelingt – Interview mit Simon Fenske

02. Dezember 2025 / Annekathrin Gut

Websites und Softwareanwendungen sind oft verschwenderisch aufgebaut. Datenzentren verbrauchen immense Energie. Dabei ließe sich mit der richtigen Architektur und einem bewussten Umgang mit Ressourcen viel Energie und Geld sparen. Simon Fenske, Entwickler und UX-Designer bei der HEC, erklärt im Interview, wie nachhaltige Softwareentwicklung funktioniert, welche Tools helfen und was schon kleine Schritte bewirken.

Warum schätzt du nachhaltige Softwareentwicklung als wichtig für die Zukunft ein?

Simon Fenske: Es geht dabei um Zukunftsfähigkeit. Zukunftsfähig bedeutet ja, dass Dinge in naher Zukunft noch so funktionieren wie jetzt und vielleicht sogar besser angepasst auf die Gegebenheiten. Welche sind das? Die Welt ist unsicherer geworden. Es gibt internationale Konflikte, knapper werdende Ressourcen, teurer werdende Energie. Man muss energieeffizienter werden. Prozesse müssen effizienter laufen.

Da kommt man in der IT sehr schnell an Performancefragen und damit eben auch zu Nachhaltigkeitsfragen. Unsere Arbeit basiert letztlich auf verbrauchter Energie. Man sagt immer so abstrakt: Das Digitale ist körperlos. Aber die Grundlage unserer Arbeit ist eben die Energie, der Strom den die Anwendungen verbrauchen, um zu laufen.

Hast du den Eindruck, dass das Bewusstsein darüber in den Unternehmen wächst?

Simon Fenske: Für die meisten ist es so, dass sie Software in Auftrag gegeben haben, zum Beispiel bei der HEC. Die Erwartungshaltung ist dann: Wir haben das System eingeführt, das läuft. Und solange wir das nicht ändern, läuft es weiter und wir können verlässlich damit arbeiten.

Aber wie die Systeme gebaut sind, ist entscheidend dafür, wie viel Energie verbraucht wird, wie lange die Prozesse laufen, wieviel Arbeitskraft eingebunden ist, um den Betrieb sicherzustellen. Dass diese Prozesse optimiert werden können, das liegt in unserer Hand. Sowohl in der Architektur als auch in der Usability. Unser Qualitätsanspruch ist, dass wir effiziente Software für effektive Abläufe bauen.

Eine Frau und ein Mann sitzen lachend an einem Arbeitstisch.
Simon Fenske (rechts im Bild) kennt sich mit digitaler Nachhaltigkeit aus.

Was hat sich in den letzten Jahren verändert?

Simon Fenske: Im Zuge von KI und Large Language Models ist viel deutlicher geworden, dass das Training dieser Modelle sehr, sehr teuer und energieintensiv ist. Außerdem gibt es Statistiken, wie viel des weltweiten Energieverbrauchs auf Datenzentren geht. Das sind in der EU zum Beispiel sechs Prozent der gesamten Energie, also so viel wie Deutschland insgesamt an Energie verbraucht – Tendenz exponentiell steigend.

In der IT werden Datensätze oft nicht effizient verwaltet. Das wurde bisher nicht gemacht, weil die Notwendigkeit nicht dafür bestand. Datenbanken füllen sich, Einträge verlieren ihre Relevanz und es gibt kein Löschkonzept oder Haltbarkeitsdatum dafür. Es gibt oft keine Transparenz, wie viele Ressourcen in Prozessen verbraucht werden. Doch daran wird die Nachhaltigkeit gemessen: Die Energie, die verbraucht wird, wird in CO2-Emissionen umgerechnet.

Für die größten Unternehmen ist das mittlerweile verpflichtend, für Datenzentren und deren Betreiber auch. So kommen Unternehmen langsam in Zugzwang, auch ihre Systeme effizienter zu machen. Wir sollten die Transparenz, die bei der Evaluation der Emissionsquellen entsteht, aber auch als Chance begreifen, die Stellschrauben zu finden, an denen Ressourcen und letztendlich Kosten eingespart werden können.

In der Webentwicklung ist es lange so gewesen: Wir machen alles, was wir können. Websites und Web-Apps sind sehr aufgebläht, laden unnötige Skripte und Funktionen. Für die Grundfunktionalität von Javascript-Frameworks werden viele Daten geladen, die oft gar nicht in der Anwendung gebraucht werden. Die Software ist so aufgebaut, dass die Prozesse unnötig verschwenderisch sind: Das geht von ineffizientem Code, über automatisierten Build-Pipelines bis hin zu redundanten Datenbank-Checks und gesplitteten Serverabfragen. All das verbraucht unnötig viel Energie.

Lass uns mal konkret werden! Wie kann ich eine Einschätzung bekommen, wie energiefressend meine Anwendung ist?

Simon Fenske: Dafür gibt es Tools. Eines, das man auf jeden Fall nehmen kann, um eine Idee davon zu bekommen, was an CO2-Emissionen bei einem Websiteaufruf erzeugt wird, ist die Seite ecograder.com. Da wird angezeigt, wie groß die Datenmenge ist, die geladen wird und wie groß der CO2-Fußabdruck ist, der daraus entsteht. Außerdem testet der ecograder auch die Usability und Barrierefreiheit und wie eine Seite gehostet ist, also ob die Server mit erneuerbaren Energien betrieben werden.

Am Ende bekommt man einen Score. Der zeigt an, ob man im grünen oder im roten Bereich ist, verglichen mit allen Seiten, die jemals über das Tool getestet wurden. Die Testseite ist ein individueller Link. Man kann diesen Ecograder-Report also bereits als Checkliste für Einsparungsmaßnahmen nehmen.

Wenn die Anwendung im roten Bereich ist: Muss ich nun alles neu machen oder gibt es auch kleine Schritte, die für eine bessere Effizienz sorgen?

Simon Fenske: Kleine Schritte sind auf jeden Fall möglich. Man kann Pakete, die in der Anwendung zwar geladen, aber gar nicht genutzt werden, schon mal rausschmeißen. Dafür gibt es gibt es verschiedene Tools.

Es besteht auch die Möglichkeit, die Mediendateien, die man nutzt, zu prüfen. Brauche ich die unbedingt? Sind die so kleingerechnet, wie möglich? PDFs müssen keine 5 MB groß sein, sondern können auch 200 Kilobyte groß sein. Genauso ist es mit Bilddateien. Die Bild- und Videodateien bilden den größten Anteil an verschwenderisch aufgebauten Daten.

Wir haben eine Informationsflut im Internet. Die Dateien, die dazu nötig sind, sind alle viel zu groß. Es gibt mittlerweile effizientere Dateiformate für Bilder und Videos, also zum Beispiel für Bilder WebP und für Videos WebM. Das minimiert einen Großteil des Datenstroms, die Seite lädt schneller und man spart letztendlich Energie und Emissionen.

Für die von dir genannten Medienformate gibt es Plug-ins, mit denen sich Mediendateien verkleinern lassen.

Simon Fenske: Genau. Ich kann sie so in ein Projekt mit einbinden, dass alle Dateien, die ich hochlade, automatisch geändert werden oder von vornherein das effizienteste Format hochladen. Solche Mechanismen kann ich einbauen, um sicherzustellen, dass die Mediendateien möglichst klein sind. Genauso ist es mit JavaScript, dass nur Funktionen geladen werden, die man auch wirklich braucht.

Es gibt auch die Lösung, dass Bereiche nicht geladen werden, die mir gar nicht angezeigt werden. Erst wenn ich auf einer Seite dorthin scrolle, wird der Inhalt nachgeladen. Das nennt sich Lazy Loading. Wenn ich das implementiere, wird Energie beim Client, also bei jemandem, der die Seite oder die App aufruft, gespart. Und viele Leute scrollen ja auf einer Seite gar nicht ganz nach unten.

Wir müssen also keine Abstriche bei Qualität, Funktionalität oder Design machen. Es geht vielmehr darum, von Anfang an eine kluge Architektur und einen klugen Umgang mit Datenressourcen zu finden?

Simon Fenske: Richtig, das ist alles, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Das ist nicht nur in der IT so, das ist ein strukturelles Thema, das sich generell durch alle Bereiche zieht. Es geht um die Architektur: Wie sind unsere Systeme aufgebaut? Welche Mechanismen haben wir, um an den richtigen Stellen Daten oder Prozesse zu verschlanken?

Man hat gar kein Problem, wenn man ein Projekt neu initiiert. Wenn man die Nachhaltigkeitsaspekte und die Ressourceneffizienz, Dateneffizienz, ein vernünftiges Löschkonzept für Datensätze, die man nicht mehr braucht, schon am Anfang des Projektes mitdenkt.

Das bedeutet auch, Nachhaltigkeit kostet nichts extra, wenn sie mitgedacht wird.

Simon Fenske: Man spricht in der Nachhaltigkeitsbewegung von Carbon Awareness. Das heißt, ich bin mir bewusst, dass alle meine Prozesse Energie, Ressourcen, Arbeitskraft verbrauchen und Emissionen erzeugen. Wenn ich an jeder Stelle in meiner Anwendung mitdenke – da kommen wir zum UX Design – dass mein Prozess, den ich anstoße, so und so viel verbraucht. Oder ich kann stattdessen einen anderen Prozess nehmen, der energieärmer ist. Solche Mechanismen können dazu führen, dass man ressourceneffizienter wird und langfristig gesehen sogar sehr viel Geld sparen kann.

Ich glaube, wir sind über das Herumprobieren mit generativer KI hinaus. Jetzt geht es darum, wie man KI-Assistenten bewusster und 'Carbon Aware' einsetzt.

Du bist selbst sehr engagiert und fährst im Dezember zur Green IO, einer internationalen Konferenz in Paris. Was werden die Schwerpunkte sein?

Simon Fenske: Da kommen sehr viele Leute, die sich schon länger mit dem Thema Nachhaltigkeit in der Webentwicklung beschäftigen. Ein ganz aktuelles Thema ist Ressourceneffizienz von KI-gestützten Prozessen. Ich glaube, wir sind über das Herumprobieren mit generativer KI hinaus. Jetzt geht es darum, wie man KI-Assistenten bewusster und 'carbon aware' einsetzt. Man spricht auch von Digital Literacy, dass Unternehmen erkennen, an welchen Stellen der Einsatz von digitalen Prozessen sinnvoll ist – und an welchen nicht.

Ich freue mich auch, weil es einen Stand vom Sustainable UX Network gibt. Das ist ein weltweites Designer-Netzwerk von Leuten, die sich mit Nachhaltigkeit in der Webproduktion beschäftigen. Und ich habe letztes Jahr das Sustainable UX-Chapter Bremen aufgemacht. Ich bin ja nicht nur Frontend Entwickler, sondern auch UX-Designer.

Und zum Abschluss: Was möchtest du noch besonderes betonen?

Simon Fenske: Zukunftsfähigkeit ist der Schlüsselbegriff. Nachhaltigkeit ist eine Investition in die Zukunft. Das ist eine Investition, die nicht gleich spürbar ist. Aber langfristig wird viel gespart. Das ist auch das, was in der Bewegung gegen den menschengemachten Klimawandel nicht richtig funktioniert. Ich kann keinen sofortigen Profit rausschlagen. Sondern ich muss jetzt investieren, damit ich später einspare.

Das ist das Schwierige an Nachhaltigkeitsfragen, weswegen viele sie in krisengebeutelten Zeiten aus dem Fokus verlieren. Aber Nachhaltigkeit sollte immer mitgedacht werden, denn es ist immer relevant. Ressourceneffizienz ist das Thema unserer Zukunft.

Über unseren Experten

Simon Fenske

Simon Fenske

UX-Design, Digitale Nachhaltigkeit

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Simon Fenske hat Medienwissenschaften und Design studiert und an zahlreichen Design-Projekten in Bremen mitgewirkt, u.a. am World Future Lab für das Klimahaus Bremerhaven. 2020 als Entwickler weitergebildet, optimiert er bei der HEC als Usability-Experte, UX-Designer und Frontend-Developer Anwendungen für Kunden aus den verschiedensten Branchen – immer mit dem Fokus auf Nutzungsfreundlichkeit und nachhaltige Arbeitsprozesse.