Bild eines Regals voller Akten

Neues aus der HEC

Verwaltungs-digitalisierung: von Datenverarbeitung zu Bürgerbeteiligung

29. Juni 2021 / Annekathrin Gut

 

Bei der Digitalisierung ging das Land Bremen früh voran. Schon in den 1980er-Jahren überlegte der Senat, wie sich Verwaltungsprozesse effizienter gestalten lassen. Im Blick hatte man dazu die rasant voranschreitende Datenverarbeitungstechnologie. Unter „DV“ verstand man damals vor allem Hardware mit Anwendungen für das Büromanagement.

Mit der praktischen Umsetzung dieser Aufgabe wurde die neue HEC GmbH beauftragt. Das Land Bremen, Siemens und das Beratungshaus PDV gründeten die IT-Beratungs- und Entwicklungsfirma 1988 als öffentlich-private Partnerschaft. Geschäftsführer Thorsten Haase begleitet das Unternehmen seit 1994 und kennt die Digitalisierungsfragen von damals und heute.

Schreibtisch mit Unterlagen und Computer. Foto von Oliver Menyhart auf Pixabay

Wie muss man sich Digitalisierung in den Achtzigerjahren vorstellen?
Thorsten Haase:
Es war die Welt der Großrechner. Die Ausstattung der öffentlichen Verwaltungen mit Arbeitsplatzrechnern stand erst am Anfang. Natürlich gab es damals in den Amtsstuben bereits erste PC. Aber sie wurden eher wie Schreibmaschinen eingesetzt. Die Verwaltungsverfahren liefen zentral im Rechenzentrum zusammen.

Klingt nicht gerade agil.
Ja, man dachte damals eher an den vermehrten „Technikeinsatz“, also um PC und deren Vernetzung, und an die entsprechende Qualifizierung der Mitarbeitenden. Es ging inhaltlich um die Verbesserung von Verfahren – gerade auch aufgrund der zunehmenden fachlichen Komplexität. Aber es ging auch darum, „moderne DV-Arbeitsplätze“ mit grafischen Benutzeroberflächen zu schaffen. E-Government war im Grunde ebenfalls schon ein Thema. Zielstellung war die Schaffung einer bürgerfreundlichen und effizienten Verwaltung.

Und wie sollte das realisiert werden?
Am Anfang drehte es sich im Wesentlichen um sogenannte Bürokommunikationssoftware. Das Land Bremen suchte einen Technologiepartner, der die Hardware hatte und passende Softwarelösungen anschieben konnte.

Das Interesse von Siemens war komplementär. Das Unternehmen sah seine Aufgabe in der Entwicklung und Vermarktung von Anwendersoftware und in der Bereitstellung von Gesamtlösungen: Hardware, Software und Consulting für öffentliche Auftraggeber. In Bremen hat Siemens einen Mikromarkt gesehen, ein Labor, in dem man die Angebote erproben und dann in alle Welt exportieren könnte.

Drei Partner – das Land Bremen, Siemens und PDV – haben sich zusammengetan. Wie erfolgreich war das Start-up HEC?
Man hat tatsächlich einfach angefangen. Entwickelt wurden Lösungen, die den Büroalltag erleichtern sollten. Zum Beispiel ein Adressmanagement oder ein Terminmanagement, wie heute Outlook, und Fachsoftware wie ein Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen (HKR-Verfahren) oder eine Lösung für Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung (AVA) im Baubereich. Einige dieser Produkte wurden zwanzig Jahre lang eingesetzt.

Allerdings gab es Hürden. Der F+E-Aufwand war enorm. Ein Großkunde, der die Bürokommunikationssoftware bundesweit einsetzen wollte, hat die Lösungen nicht angenommen, sondern auf Microsoft-Produkte gesetzt.

Parallel gestaltete sich das Projektgeschäft mit der Öffentlichen Verwaltung schwierig. Die Begeisterung über dezentrale Software hielt sich zunächst in Grenzen. Und es gab in den ersten Jahren organisatorische und technologische Hürden: Softwareentwicklung, wie wir sie brauchten, wurde an den Hochschulen nicht gelehrt. Deshalb fehlten Mitarbeiter:nnen. Außerdem waren die damals zur Verfügung stehenden Werkzeuge zur Softwareentwicklung wenig leistungsstark. Später kam hinzu, dass neben den nach wie vor bestehenden kommunalen Rechenzentren auch große Anbieter von Standardsoftware immer mehr in den Markt drängten.

Dennoch war das ein guter Ausgangspunkt für einen inhaltlichen Neustart der HEC 1994.
Die HEC hat innerhalb von fünf Jahren ein exzellentes Technologie-, Prozess- und Methoden-Know-how aufgebaut. Das hat neue Mitarbeiter:nnen angezogen, weil das, was wir gemacht haben, spannend war.

Verwaltungsprozesse effizienter gestalten mit IT: Der Auftrag von damals klingt heute noch aktuell. Warum ist das so?
Tatsächlich haben wir uns mit vielen Themen beschäftigt, die heute noch nicht umgesetzt sind. Der Druck war vielleicht nicht groß genug, so dass es auch nicht die finanziellen Mittel dafür gab. Da waren dicke Bretter zu bohren. Es gab viel Skepsis. Die Verwaltungen waren sehr fragmentiert und hatten Silos aufgebaut. Sie waren und sind von vielen gesetzlichen und föderalen Rahmenbedingungen umgeben und hatten damals wenig Erfahrung darin, über Ressort- oder Landkreisgrenzen hinweg zu denken und zu arbeiten.

Was wurde denn aus damaliger Sicht als sinnvoll erachtet?
Unter dem Motto „Rathaus 2000“ oder „Verwaltung 2000“ ging es darum, wie sich Bürgerprozesse vereinfachen lassen. Ende der 1990er hatten die Menschen ja schon PC und das Internet wurde besser. Wir haben uns beispielsweise gefragt, wer ins Rathaus geht und wie Antragsprozesse von Bürgern und Unternehmern besser ablaufen.

Was hat sich verändert?
Der Druck kommt heute stärker von den Menschen selbst und von den Unternehmen. Jeder nutzt zum Beispiel im Alltag Smartphones. Auch die Behörden sind stärker auf Schnelligkeit und Kosteneinsparung angewiesen. Ich nehme wahr, dass sich die Menschen in der Verwaltung heute Innovationen nicht verschließen.

Es gibt darüber hinaus einen internationalen Wettbewerb, zum Beispiel um Unternehmensansiedlungen oder um Einwohner. Die Menschen haben eben keine Lust auf einen ineffizienten Verwaltungsstaat.

Ein „Game Changer“ könnte hier das Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen sein.Es wurde 2017 vom Bund und den Ländern beschlossen und regelt, dass alle Verwaltungsleistungen elektronisch angeboten werden müssen. So soll die Interaktion zwischen Bürger:innen und Unternehmen mit der Verwaltung nutzerfreundlicher werden.  

Wie würde das „Rathaus 2030“ aus deiner Sicht aussehen?
Nicht der Bürger geht mehr ins Rathaus, sondern das Rathaus kommt – per Device – zum Bürger. Ich kann mir vorstellen, dass viele der klassischen Verwaltungsprozesse vollautomatisiert sind, so wie heute schon Bankgeschäfte. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz wird Standard sein.

Das Rathaus bekommt eine andere Rolle. Die Beratung steht viel stärker im Vordergrund. Ich kann dort zum Beispiel als Neubürger hingehen und bekomme Hilfestellung in komplexen und individuellen Fragen.

Es kommt zu einer anderen Beteilung von Bürgern. Rathäuser werden interdisziplinär aktiv. Sie holen frühzeitig viele betroffene Akteure an einen Tisch. Auf der Basis von kooperativem, technologiegestütztem Wissensmanagement können dann unter anderem schnellere und bessere Entscheidungen getroffen werden.

Dr. Thorsten Haase

Dr. Thorsten Haase

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