
Methoden und Wissen
Mit der Business Story-Methode wirksame Software entwickeln
18. November 2021 / Annekathrin Gut
Business Storys helfen dabei, sinnvolle Entscheidungen für die Entwicklung von Softwareanwendungen und anderen Produkten zu treffen. Sie berücksichtigen die Wirkung des Produktes für alle Interessengruppen innerhalb und außerhalb des Unternehmens. Als Denkhilfe kommt ein Template zum Einsatz, wie es Viele zum Beispiel vom Business Model Canvas oder von Personas- und Produktvisionspostern kennen.
Business-Story-Poster
Wie erstellt man eine Business Story? Das Template von HEC GmbH und it-agile hilft dabei. In unserem Beispiel wollen wir einen Marmeladen-Konfigurator entwickeln.

Der Fall: Der Marmeladen-Konfigurator
Anruf von unserem Kunden, einem Marmeladenhersteller: „Also, wir haben eine ganz neue Businessidee. Wir wollen einen Marmeladen-Konfigurator entwickeln, mit dem sich Kundinnen und Kunden online unsere Konfitüre ganz nach ihrem Geschmack zusammenstellen können.“ Das klingt nicht nur lecker und nach einer spannenden Entwicklungsaufgabe, sondern auch nach einer guten Geschäftsidee: Zum einen bekommen Stammkund:innen ein zusätzliches Angebot. Zum anderen kann das Unternehmen ganz neue Kund:innen ansprechen, nämlich die, die gerne individuelle und handgemachte Produkte kaufen.
Einen Konfigurator zu entwickeln, bedeutet allerdings eine größere Investition. Bevor wir loslegen, sollten wir also abwägen, ob die Lösung überhaupt den gewünschten Effekt haben wird: Beißt die neue Kundenzielgruppe tatsächlich an und bringt den zusätzlichen Umsatz? Oder verschreckt das neue Angebot etwa treue Stammkunden? Könnte das Vorhaben im eigenen Haus an unlösbaren Anforderungen scheitern?
Mit diesen Fragen lösen wir den Blick von der Softwareentwicklung und richten ihn auf das Unternehmen selbst. Das Instrument der Business Story hilft uns, Kriterien festzulegen: für die gewünschte Wirkung, die Evaluation oder, falls nötig, den Abbruch des Vorhabens. So können wir auf sicherer Grundlage entscheiden, wie wir vorgehen.
Die Business Story: Auf die Wirkung fokussieren
In der Business Story beschreiben wir zunächst die Wirkung, die wir uns für das Unternehmen wünschen. Anschließend schauen wir auf die unterschiedlichen Interessengruppen. Das sind alle Beteiligten, die vom Produkt in irgendeiner Weise betroffen sein können, an erster Stelle natürlich die Neu- und Bestandskund:innen, aber zum Beispiel auch die Geschäftsführung, Produktion, IT und Marketing. Wir formulieren nicht nur die voraussichtliche positive Wirkung (Nutzen), sondern wir prüfen auch, ob eine negative Wirkung (Schaden) entstehen kann.
Beim Beispiel des Marmeladen-Konfigurators könnten unsere Personas folgende Wirkungen spüren: Während sich Nina Neukunde über die kreative Möglichkeit freut und ihre individuelle Geschmacksrichtung begeistert zusammenstellt, ist Stefan Stammkunde von den neuen Möglichkeiten und dem etwas komplizierteren Bestellvorgang genervt. Paul Produktion muss unter Hochdruck einen anspruchsvollen Produktionsprozess etablieren, während sich Susanne Wickler, unsere Softwareentwicklerin, über die neue Herausforderung freut.
Kriterien für Evaluation definieren
Ob und in welchem Umfang sich die gewünschte Wirkung unseres Marmeladen-Konfigurators tatsächlich einstellt, lässt sich erst nach dem Release der Software unter echten Bedingungen feststellen. Dann könnten wir aber schon viel zu viel Geld und Zeit in ein nicht richtig funktionierendes Produkt gesteckt haben. Wir definieren deshalb in der Business Story Kriterien und Experimente anhand derer wir prüfen können, ob wir die gewünschte Wirkung erzielen.
Beim Marmeladen-Konfigurator sollen monatlich die Anzahl der Bestellungen, das Kundeninteresse, der Umsatz und die Produktionskosten evaluiert werden. Sollte eine Mini-Marketingkampagne zur Einführung des neuen Tools weniger als fünfzig Bestellungen auslösen oder sollten 50 Prozent höhere Produktionskosten entstehen, dann bedeutet das den Abbruch des Vorhabens.
Business Storys schneiden
Wir ahnen es: Die Business Story unseres Marmeladen-Konfigurators ist ziemlich umfangreich. Erfahrungsgemäß sollte eine Business Story aber innerhalb von maximal drei Monaten Entwicklungszeit umgesetzt werden können. Es gibt eine Reihe von Mustern, wie sich eine Business Story in kleinere Storys schneiden lässt. Den Überblick gibt es im nächsten Artikel.
Fazit: Schneller Wert schaffen
Unser Fazit lautet unterm Strich: Business Storys helfen dabei, schneller Wert zu schaffen. Denn oft ist es in der agilen Softwareentwicklung so, dass Entwicklungsteams und Kund:innen zu sehr auf die Ergebnisse von Sprints und die dabei entstehenden Inkremente schauen. Business Storys helfen, die Aufmerksamkeit wieder auf die Wirkung zu lenken, die ein Produkt auf alle Interessengruppen haben kann.
Auf diese Weise können wir schneller funktionsfähige Teilprodukte schaffen. Deren großer Wert liegt darin, dass wir schnell ihre Wirkung herausfinden können. So erhalten wir immer eine gute Entscheidungsgrundlage für unser weiteres Vorgehen.
Die Business Story-Methode
Das Konzept der Business Story ist in Zusammenarbeit von it-agile GmbH und HEC GmbH entstanden. Ulf Mewe (HEC) und Stefan Roock (it-agile) erläutern das Vorgehen in ihrem Fachartikel in Informatik Aktuell im Detail.
Alle interessierten Nutzer:innen können das Business Story Template unter Creative Commons Lizenz verwenden.
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