
Trends und Technologien
Vom Cost- zum Profit-Center
04. März 2019 / Annekathrin Gut

„Klassische Transportmanagement-Programme gehen davon aus, dass wir jederzeit alle Transportrelationen kennen“, sagt Daniel Langhann, Leiter IT-Strategie und Projekte bei HANSETRANS Gütertaxi. „Aber Gütertaxi, das ist ein spezielles Geschäft!“ Jederzeit kann noch ein Auftrag reinkommen, der die Gesamtlage wieder verändert. Die HEC GmbH hat deshalb eine Plattform entwickelt, deren Software schon während des Auftragseingangs in Echtzeit die vorhandenen Ressourcen berechnet. Der damit verbundene Digitalisierungsprozess hat das ganze Unternehmen erfasst – und dabei einiges umgekrempelt.
Am Anfang stand bei HANSETRANS der strategische Entschluss, die IT ins eigene Haus zu holen. Das Unternehmen wollte von den Produkten externer Anbieter unabhängiger werden. Denn: Das zehn Jahre alte Transportmanagementsystem hielt dem Wachstum des Unternehmens nicht mehr Stand und wurde auch nicht in einem ausreichenden Maße weiterentwickelt.
Mit dem neuen Partner HEC ging es erst einmal darum, die Geschäftsprozesse an den Firmenstandorten in Bremen, Berlin, Essen und München zu dokumentieren. Ulf Mewe, Anforderungsmanager bei HEC, und sein Team erfassten in Workshops mittels Business Process Modelling die Geschäftsprozesse in den einzelnen Betrieben. Ulf Mewe fasst die Erkenntnisse zusammen: „Was keinem vorher so richtig bewusst war: Alle Niederlassungen arbeiten zumindest in Teilen unterschiedlich. Für die gleiche Aufgabe gab es jeweils andere Prozesse und Lösungen!“ Das Ziel lautete also, die Prozesse durch digitale Lösungen besser zu unterstützen und dort, wo es Sinn macht, zu vereinheitlichen.
Schnell starten mit agilem Vorgehen
Für die nächsten Schritte einigten sich Kunde und Softwarehaus auf ein modernes, agiles Vorgehen. „Um ein klassisches Lastenheft zu erstellen, bräuchte man prinzipiell ein vollständiges Lagebild“, sagt IT-Leiter Daniel Langhann. „Dieses ergibt sich in vielen Fällen allerdings erst mit der Entwicklung und vor allem der Nutzung der Software.“ Bevor also ein halbes Jahr mit Projektbeschreibung ins Land ging, in dem HANSETRANS womöglich Kunden verloren hätte, entschlossen sie sich, schnell zu starten.
Das war für HANSETRANS nicht ohne Risiko: Los ging es gleich mit der neuen Plattformlösung für die Disposition – also mit dem Herzstück des Unternehmens, in dem alle Prozesse zusammenlaufen. „Wir wollten – wenn schon – dann früh scheitern“, erklärt Ulf Mewe. „Zu Beginn waren erstmal umfangreiche Recherche-Maßnahmen erforderlich in dem unter anderem Anbieter für Tourenplanungssoftware und die entsprechenden Datenmodelle und Algorithmen evaluiert wurden.“
Deutlich überwogen aber die Vorteile des Verfahrens, betont Daniel Langhann: HANSETRANS muss sich nicht mehr an eine statische Software anpassen. Stattdessen kann die gemeinsam erarbeitete Softwarelösung in immer weiteren Iterationen noch komfortabler gemacht werden. Je nachdem, welche Anforderungen das schnelle Logistikgeschäft mit sich bringt.
Motivierte Mitarbeiter hatten Lokomotivfunktion
Agile Softwareentwicklung bindet – anders als Projektmanagement nach dem Wasserfallprinzip – auch die Kunden und deren Mitarbeitende eng ein. Anforderungsmanager Ulf Mewe weiß: „Es ist ein ständiger Aushandlungsprozess. Wie weit geht man? Was kann man dem Nutzer zumuten?“ Das erfordert auch in den Unternehmen Veränderungen, die oftmals herausfordernd sein können.
Ulf Mewe ist erstaunt, wie gut sein Kunde diesen Prozess gemeistert hat: „Es ist beindruckend, wie sich bei HANSETRANS um die Mitarbeiter gekümmert wurde.“ Jeder bei dem Gütertaxi-Unternehmen konnte von Anfang an am Change-Prozess mitwirken, und zwar auf freiwilliger Basis. So gab es zum Beispiel alle zwei Wochen Videokonferenzen über den Projektfortschritt, in deren Rahmen die Mitarbeitenden ihre Ideen einbringen konnten. „Ziel war es, dass durch diejenigen, die motiviert mitarbeiten, eine Lokomotivfunktion entsteht“, erklärt Daniel Langhann.
Heute, zwei Jahre und zahllose Entwicklerstunden später, hat HANSETRANS seine neue, individuell entwickelte Plattform für die Disposition und das Auftragsmanagement an allen zwölf Standorten eingeführt. Hinzu kommt eine App für die Fahrer der LKW, die auch wegen des integrierten Navis sehr beliebt ist und auf jedem gängigen Smartphone funktioniert. Parallel entstand ein Spezialportal, in das Kunden von Hansetrans die Bestellungen ihrer Endkunden einstellen können.
IT bekommt strategische Bedeutung
Die IT hat heute bei HANSETRANS eine ganz neue Bedeutung: Ursprünglich war die Abteilung unter anderem für den PC-Support, für die Netzwerke und die Telefonie zuständig. Nun hat sie strategische Bedeutung für die Weiterentwicklung von Produkten und Dienstleistungen gewonnen. „Die IT war früher ein klassisches Cost-Center. Mittlerweile sehen wir sie als Profit-Center“, erklärt IT-Leiter Langhann. „Dreiviertel des Projektumfangs unserer Logistikdienstleistungen stehen direkt oder indirekt in Verbindung mit IT-Leistungen. Wir verdienen damit unser Geld!“
Über HANSETRANS:
HANSETRANS Hanseatische Transportgesellschaft mbH (kurz: HANSETRANS Gütertaxi) liefert Waren, die eilig zugestellt werden müssen, exklusiv gefahren werden sollen oder sensibel sind. Das reicht vom neuesten Karossenmodell eines Automobilherstellers bis zum Gartenhaus, das der Baumarkt an den Endkunden liefern will. Ein weiterer Schwerpunkt ist die regionale Distribution. Das Unternehmen ist Teil der HANSETRANS-Gruppe mit Hauptsitz in Hamburg und hat ca. 100 Mitarbeitende an 12 Standorten in Deutschland. Rund 700 LKW fahren die Transporte.
Das HEC Entwicklungsteam:
Neben Anforderungsmanager Ulf Mewe haben bislang insgesamt fünf Entwickler mit Logistik-Expertise, ein Tester, eine Scrum Masterin, ein Business Analyst sowie ein Werkstudent am Kundenportal mitgewirkt. Unterstützt wurden diese von drei weiteren Teams von neusta mobile solutions zur Entwicklung eines einheitlichen Designs, zur Umsetzung der App und des Kundenportals, sowie vom DevOPs-Team der Hansetrans DV Services.
