After Work Veranstaltung Soiree HEC

Neues aus der HEC / Arbeit und Leben

Diversität im Test: Das Planspiel der HEC

11. Juli 2023 / Annekathrin Gut

Anna hat das Nachsehen: Wie Teilnehmende der SOIREE|HEC das Diversity-Spiel sahen

Am Ende hat Anna in drei von vier Fällen das Nachsehen. Kinder mit Karriere und Beförderung verbinden? Keine Chance. Statt dass die Kollegen sie unterstützen, spielen sich die Männer lieber selbst die Bälle zu. Anna ist ein fiktiver Charakter und hat doch reale Züge. Denn darum geht es beim Planspiel „cHECk your privilege“: Beim SOIREE|HEC-Afterwork-Event im Juni testen zwanzig Teilnehmende, wie es in verschiedenen Rollen um ihre Karrierechancen steht.

Vom karriereorientierten Macher bis hin zur ebenso beruflich interessierten Teilzeitkollegin geht es darum, Wunsch und Wirklichkeit im Berufsleben unter einen Hut zu bringen. „Die meisten Teilnehmenden konnten sich beeindruckend gut in ihre Charaktere einfühlen und authentische Entscheidungen treffen“, erzählt Lara Post, HEC Softwareentwicklerin, die eines von vier Planspiel-Teams moderierte.

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Im Planspiel Realität nachstellen

Mit Planspielen werden komplexe soziologische Systeme nachgestellt. Auf diese Weise soll das Verständnis für die realen Vorgänge gefördert werden. Genau das will auch das Diversity-Planspiel der HEC erreichen. Die Teilnehmenden übernehmen fünf verschiedene Rollen: Anna, Christian, Jan, Katharina und Tobias. Das neu zusammengewürfelte, selbstorganisierte Projektteam der fiktiven Imagine GmbH hat in drei einwöchigen Sprints eine Reihe von Aufgaben zu erledigen, um dem Kunden am Ende ein gutes Softwareprodukt auszuliefern.

Die Wirtschaftspsychologin Sophia Feldmeier, die als Agile Master bei der HEC arbeitet, hat das Planspiel entwickelt. Die Diversity AG der HEC hat es verfeinert. Ebenfalls Teil dieses Teams sind Marvin Marken, Wiebke Rehfeldt und Lara Post, die an diesem Abend die Moderation der Teams übernehmen.

 

Abstriche bei der persönlichen Karriere

Jede Aufgabe bringt entweder Pluspunkte für die Erreichung des persönlichen Karrierezieles oder sorgt in unterschiedlichem Maß für mehr Belastung. Fast alle Teammitglieder haben Kinder. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gelingt durch die lebensnahen Aufgabenstellungen jedoch mal mehr, mal weniger gut.

„Eine Teilnehmerin konnte sich nahezu eins zu eins mit Katharina identifizieren, da sie selbst Mutter und Angestellte in Teilzeit war, und ebenfalls feststellen musste: Die berufliche Weiterentwicklung bleibt stehen“, erzählt Sophia. Außerdem erzeugen die weiblichen Rollenvorgaben ein ungewohntes Verhalten: „Selbst wenn die Teilnehmenden selbst gar nicht so ticken, verhalten sie sich genau nach dem Motto, dass sie nicht unangenehm auffallen möchten.“

Mancher weiblichen Teilnehmerin fiel die dominante Rolle schwer, hat Sophia festgestellt: „Ganz doll gemein zu sein und die eigene Rolle gnadenlos durchzuziehen. Sprich, die benachteiligten Spieler:innen unterbrechen, über den Mund fahren und ihnen nicht eine einzige gute Aufgabe geben.“ Anders war es im Team von Wiebke: „Die weiblichen Teilnehmerinnen, die Christian, Jan und Tobias spielten, reizten die Möglichkeit voll aus, dominant und machtgeleitet Entscheidungen über die Köpfe der benachteiligten Rollen hinweg zu treffen. Nach dem Motto ‚Wenn ich einen Tag ein Mann wäre…‘"

Realistisches Szenario

Zwar sind die Charaktere abstrahiert, aber die Gäste sind an dem Abend doch überrascht von der Realitätsnähe und Komplexität des Planspiels. „Sie haben nicht erwartet, eine so vielfältige Bandbreite an Meinungen und Perspektiven zu erleben“, sagt Lara über ihr Team. „Es war für einige Teilnehmende schwierig, Kompromisse zu finden und gemeinsame Lösungen zu erarbeiten.“

Marvin musste nach dem Spiel nicht zur Diskussion anregen. Die kam von selbst, denn die Teilnehmenden tauschten sich direkt über echte Erlebnisse aus. „So spielt zum Beispiel das Alter gerade bei Frauen wohl immer noch eine größere Rolle als bei Männern. Im Sinne von Aberkennung von Kompetenz, wenn eine Frau „zu jung“ bis Mitte, Ende Zwanzig, oder „zu alt“ ab Mitte, Ende Vierzig ist“, berichtet Marvin aus seinem Team.

Einige Teilnehmende haben angeregt, das Spiel um weitere Diversity-Aspekte zu erweitern. Dies hat die Arbeitsgruppe der HEC bereits auf dem Zettel. Es sind bereits weitere Rollen zu allen Kerndimensionen der Vielfalt entstanden. Derzeit werden darüber hinaus Aspekte von Intersektionalität, also der Überschneidung und Gleichzeitigkeit verschiedener Formen von Diskriminierung gegenüber einer Person, entwickelt. Bei der diesjährigen Diversity Challenge der Charta der Vielfalt e.V. wird die HEC mit diesem Beitrag antreten. Geplant ist außerdem eine Online-Version, sodass auch Remote Teams damit arbeiten können.

Und was ist jetzt mit Anna?

Am Ende kommt es zu einer Zerreißprobe für das Team: Anna wird vom Kunden durch eine Bemerkung über die Länge ihres Rocks belästigt. Sollen die Teammitglieder ihr beispringen? Oder sollen sie konsequent an der Aufgabe weiterarbeiten, um keine Zeit zu verlieren und den Kunden nicht zu verärgern?

„Das Finale in Form der sexuellen Belästigung seitens des Kunden war noch ein letzter Schritt hin zum allgemeinen Schlucken. Man merkte, dass die Teilnehmenden selbst anders entschieden hätten, aber weiterhin in ihrer Rolle blieben und das bewusst ignorierten“, sagt Sophia. Wiebkes Gruppe wollte eine langwierige Diskussion umgehen. Deshalb regte eine männliche Rolle an, einfach abzustimmen: mit dem Ergebnis drei zu zwei gegen Anna. Hier kam der Konflikt zwischen den beiden Parteien zu seinem Höhepunkt.

Auch in Laras Team wurde die Diskussion an diesem Punkt emotional. Einige Mitglieder zögerten, das Thema anzusprechen, da sie befürchteten, dass es zu einer zeitlichen Verzögerung des Projekts führen würde. „Dennoch gab es auch Teilnehmende, die entschieden, dass es wichtig sei, die Belästigung anzugehen und Anna zu unterstützen“, so Lara. Als einziges Team entschied sich dieses nach einer intensiven Diskussion, Anna zu unterstützen.

Am Ende hat übrigens auch in diesem Team kein Spiel-Charakter sein persönliches Ziel der Beförderung erreicht. Die Aufgabe, den Kunden zufrieden zu stellen, ist nämlich nur lösbar, wenn alle an einem Strang ziehen und das Gesamtziel anstelle ihrer eigenen im Auge haben.

Fotos: Sarah Mehler

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Über die SOIREE|HEC

90 Minuten Inspiration und Austausch ist unser Motto bei der SOIREE|HEC. In kurzen Workshops gehen die Teilnehmenden aktuellen Fragen auf den Grund und entwickeln gemeinsam Lösungen. Anschließend werden Ideen und Kontakte in entspannter Feierabend-Atmosphäre vertieft. Mehr dazu unter https://hec.de/soiree-hec. Anregungen und Ideen an soiree@hec.de.