Kreideschrift auf einer Tafel

Digitale Transformation / Digitalisierungsberatung / Trends und Technologien

Test

28. Juli 2022 / Annekathrin Gut

Egal ob auf einer Konfe­renz oder im Beitrag eines Fach­ma­ga­zins: Vorge­stellt werden immer dieje­ni­gen Unter­neh­men, die Vorrei­ter bei der Digi­ta­li­sie­rung sind. Tatsäch­lich tun sich damit aber viele Unter­neh­men gerade im Mittel­stand immer noch schwer. Woran liegt das? Und was ist über­haupt Digi­ta­li­sie­rung – Glas­fa­ser plus neue Compu­ter plus Micro­soft 365? Wir schauen uns die Fakten an und klären die Hinter­gründe.

Fakten: Der Digitalisierungssprung bleibt aus

Der Deut­sche Indus­trie- und Handels­kam­mer­tag (DIHK) stellt in seiner Umfrage zur Digitalisierung von 2022 fest, dass in weiten Teilen der deutschen Wirtschaft der große Digitalisierungssprung nach wie vor ausbleibt. Zwar haben die Betriebe ihre Digitalisierung vorangetrieben – man kann fast sagen „Corona sei dank“. Dennoch reichen sie nicht an die Vorreiter heran. Die Unternehmen selbst bewerten ihren eigenen Digitalisierungsstand nur als mittelmäßig: Schulnote 2,9 und damit keine Veränderung zum Vorjahr.

Die Motive zur Digi­ta­li­sie­rung sind für die Firmen die Flexi­bi­li­sie­rung des Arbei­tens (51 Prozent), die Erhö­hung der Kunden­bin­dung (40 Prozent) und die Koste­n­er­spar­nis (39 Prozent). Denn viele betrieb­li­che Abläufe wurden ange­sichts von Lock­downs und Home­of­fice ins Digi­tale über­führt. Auch neue Tech­no­lo­gien kommen in den Unter­neh­men an: 67 Prozent haben Cloud-Anwen­dun­gen etabliert, 28 Prozent Edge-Compu­ting umge­setzt und fast jedes vierte Unter­neh­men plant den Einsatz von Künst­li­cher Intel­li­genz inner­halb der nächs­ten drei Jahre.

Warum das immer noch nicht reicht, benennt die DIHK-Umfrage: Die hohe Komple­xi­tät bei der Umstel­lung vorhan­de­ner Systeme und Prozesse erschwert in 39 Prozent der Unter­neh­men die digi­tale Trans­for­ma­tion. Es fehlen zeit­li­che Ressour­cen (36 Prozent), Geld (34 Prozent) und IT-Fach­kräfte (24 Prozent). Auch für die zuneh­men­den Anfor­de­run­gen an IT-Sicher­heit gibt es nur unzu­rei­chende Maßnah­men. Bemän­gelt werden die unge­nü­gende digi­tale Infra­s­truk­tur, regu­la­to­ri­sche Unsi­cher­hei­ten und ein schwie­ri­ger Zugang zu Förder­mit­teln.

Hintergrund: Woran der Startimpuls scheitert

Die aktu­elle Studie Blinde Flecken in der Umsetzung der Industrie 4.0 vom Forschungsbeirat der Plattform Industrie 4.0 und der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) beleuchtet die strukturellen Hintergründe. Zwar seien die meisten Unternehmen bei der Digitalisierung dabei, so die Forschenden. Wie weit sie fortgeschritten sind, sei aber sehr unterschiedlich. Unternehmen müssten einen Startimpuls zur Digitalisierung bekommen, um diese tatsächlich voranzutreiben. Und der fehlt bei vielen.

Typische Hemmnisse

Bei Unter­neh­men, die sich bislang wenig mit Digi­ta­li­sie­rung beschäf­ti­gen, fehlt laut der Studie die formu­lierte Gesamt­un­ter­neh­mens­stra­te­gie. Es sei unklar, in welche Rich­tung das Unter­neh­men in den nächs­ten drei bis fünf Jahren gesamt­wirt­schaft­lich stre­ben wolle. Kurz gesagt: Wer seinen Markt nicht kennt, dem fällt es schwer zu bewer­ten, wo ihm digi­tale Lösun­gen Vorteile verschaf­fen.

Wenn der stra­te­gi­sche Spiel­raum einge­schränkt ist, dann behin­dert das eben­falls die Digi­ta­li­sie­rung. Das betrifft laut Studie eine große Gruppe von Unter­neh­men, die Teil eines Konzerns sind oder von Finan­z­in­ves­to­ren gehal­ten werden. Hier stehen Finanz­kenn­zah­len und Gewinne vor stra­te­gi­scher Entwick­lung und Inves­ti­tion.

Ähnli­ches gilt für Unter­neh­men, die sehr weit hinten in der Liefer­kette stehen und zum Beispiel als Zulie­fe­rer Kompo­nen­ten ferti­gen. Diese sind sehr weit weg von den Anfor­de­run­gen der Kunden an die produkt­sei­tige Digi­ta­li­sie­rung. Zugleich stehen viele deut­sche Unter­neh­men ökono­misch sehr solide da. Damit fehlt der Leidens- und Wett­be­werbs­druck, der Inno­va­ti­o­nen notwen­dig macht.

Und dann ist da noch das Manage­ment: Der Gene­ra­tion 50+ in den Geschäfts­lei­tun­gen fehlt es als Non-Digi­tal-Nati­ves viel­fach an der Neigung, sich mit der Digi­ta­li­sie­rung ausein­an­der­zu­set­zen. Auf den Punkt gebracht,: Digi­ta­li­sie­rung findet nicht statt, wenn der Chef es nicht will oder die Kund:innen es nicht nach­fra­gen.

Umgekehrt werden Erfolgsfaktoren daraus

Je klarer die Erwar­tungs­hal­tun­gen der eige­nen Kund:innen sind – egal, ob B2B oder Endver­brau­cher:innen – desto besser sind Unter­neh­men in der Regel digi­ta­li­siert. Sind die Führungs­kräfte digi­talaf­fin, dann sind auch die Unter­neh­men bei der Digi­ta­li­sie­rung weiter.

Wenig erstaun­lich, Größe ist dabei ein Erfolgs­fak­tor. Größere Unter­neh­men haben die besse­ren Rahmen­be­din­gun­gen im Hinblick auf perso­nelle und finan­zi­elle Ressour­cen. Sie können Spezi­a­lis­ten etablie­ren, die sich tief­ge­hend mit Fragen der Digi­ta­li­sie­rung beschäf­ti­gen. Sie haben auch die besse­ren finan­zi­el­len Möglich­kei­ten, um Pilot­pro­jekte anzu­sto­ßen. Selbst wenn das nicht die gewünsch­ten Ergeb­nisse bringt, gefähr­det das nicht die wirt­schaft­li­che Exis­tenz des Unter­neh­mens.

In klei­ne­ren Unter­neh­men müssen hinge­gen Mita­r­bei­tende als Allroun­der verschie­dene Funk­ti­o­nen einneh­men. Ein weite­res Hemm­nis ist, dass es noch zu wenige allge­meine Digi­ta­li­sie­rungs­stan­dards gibt, dafür aber zahl­rei­che bran­chen­spe­zi­fi­sche Stan­dards. KMU sind gezwun­gen, viele verschie­dene Schnitt­stel­len und Daten­for­mate gleich­zei­tig zu bedie­nen, um durch­gän­gig digi­tal zu sein, oder ihre eigene Stan­dard­schnitt­stel­len zu etablie­ren. Letz­te­res bedeu­tet wiederum einen enor­men finan­zi­el­len Invest.

Im Mittelstand geht es vielen Firmen einfach zu gut. Man ist nicht gezwungen, sich für die Zukunft aufzustellen. Das wird die Firmen irgendwann einholen.

Markus Tholema, Digitalisierungsberater

Erstmal verstehen, wie Innovationen entstehen können, das bringt Unternehmen voran. Produkthypothesen, die keinen Anklang am Markt finden, sollten eher als gut gemeinte Irrtümer akzeptiert werden und als Gelegenheit für Adaptionen und Neuausrichtung.

Frank Düsterbeck, Geschäftsführer Kurswechsel

Viele Unternehmen sind zu langsam für den dynamischen Markt. Führungskräfte und Mitarbeiter:innen sind oft überlastet, um Digitalisierung voranzutreiben. Das Vorankommen wird häufig durch verkrustete Strukturen und komplizierte Prozess behindert.

Dietmar Heijenga, Geschäftsführer Kurswechsel

Es braucht eine Fehlerkultur, die wirklich akzeptiert, dass man manchmal Fehler machen muss, um erfolgreich zu sein. Damit das funktionieren kann, müssen die Geschäftsführung und die Eigentümer hinter dem Vorhaben stehen.

Christian Seedig, Agiler Berater für Microsoft 365-Lösungen

Zögern bei der Digitalisierung birgt Gefahren

Klei­nere Unter­neh­men drohen, den Anschluss zu verlie­ren. Noch mehr: Sie werden für bestimmte Kunden – beson­ders im B2B – über­haupt nicht mehr als Geschäfts­part­ner in Frage kommen. Konzerne in Schlüs­sel­in­dus­trien arbei­ten zum Beispiel nur noch mit Zulie­fe­rern zusam­men, die direkt in das ERP einspie­len können.

KMU laufen Gefahr, die bran­chen­spe­zi­fi­schen Stan­dards nicht mehr in ihrem Sinne mitge­stal­ten zu können. Sie müssen sich stark fokus­sie­ren, um das Risiko einer finan­zi­el­len Inves­ti­tion in die Digi­ta­li­sie­rung zu begren­zen, und können nicht in die Breite testen.

Lösungen für KMU

Digi­ta­li­sie­rung ist eine Frage der Kultur. Vom Azubi bis zum Topma­na­ge­ment müssen digi­tale Lösun­gen als notwen­dig erkannt und koope­ra­tiv entwi­ckelt werden. Voraus­set­zung dafür ist eine lang­fris­tige Unter­neh­mens­stra­te­gie mit klaren Zielen: In welchen Berei­chen muss digi­ta­li­siert werden – und wo auch nicht? Die Verant­wor­tung liegt beim Manage­ment.

Den Nutzen digi­ta­ler Lösun­gen müssen neue Verfah­ren abseits der klas­si­schen Wirt­schaft­lich­keits­be­wer­tungs­me­tho­den aufzei­gen. Für eine bessere Renta­bi­li­tät soll­ten digi­tale Lösun­gen über­grei­fend gefun­den werden. Gerade KMU könn­ten mehr in Netz­wer­ken denken und ihre Inter­es­sen bündeln. Dass kann inner­halb der Bran­che gesche­hen oder mit Hilfe von Inter­es­sen­ver­bän­den oder öffent­li­chen Unter­stüt­zungs­an­ge­bo­ten.

Takeaways

  • Der Digi­ta­li­sie­rungs­sprung bleibt im deut­schen Mittel­stand aus. Gründe sind einge­schränkte stra­te­gi­sche Spiel­räume, fehlende finan­zi­elle und perso­nelle Ressour­cen sowie fehlen­des Verständ­nis für die Notwen­dig­keit der Digi­ta­li­sie­rung.
  • Digi­ta­li­sie­rung braucht Unter­neh­mens­stra­te­gie. Wer den Markt und die Kund:innen­be­dürf­nisse kennt, kann die Rele­vanz digi­ta­ler Maßnah­men bewer­ten.
  • Klei­nere soll­ten in Netz­wer­ken denken, um den Anschluss zu schaf­fen. In Verbün­den und Inter­es­sen­ver­bän­den können Lösun­gen entwi­ckelt werden, die für das einzelne Unter­neh­men zu risi­ko­reich wären.

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Markus Tholema

Markus Tholema

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