Arbeit und Leben
Homeoffice muss auch soziale Funktionen erfüllen
20. März 2020 / Christian Seedig
Die virtuelle Kaffeemaschine
Eine Krise kann man nur dann überstehen, wenn alle näher zusammenrücken und weniger an sich, sondern mehr an die Gemeinschaft denken. Aber wie macht man das, wenn der Arbeitgeber die Arbeit aus dem Homeoffice anordnet? Gerade in solchen schwierigen Zeiten ist es absolut kontraproduktiv, die Menschen im Homeoffice zu isolieren. Die Motivation sinkt und die Arbeitsleistung ebenso. Man braucht doch gerade in schwierigen Zeiten Mitmenschen und Kollegen mit denen man sich austauschen kann. Und Homeoffice ist alles Andere als zuhause im Kreise der Familie gemütlich nebenbei ein paar Mails zu checken und an einer Excel zu arbeiten.
Gerade wenn Homeoffice quasi zur Pflicht ausgerufen ist, müssen wir dafür sorgen, dass Mitarbeiter dennoch zusammenrücken. Wenn auch nur digital per Video. Der Markt ist voller Tools, die uns eine Zusammenarbeit über das Internet ermöglichen. Die gemeinsame Bearbeitung an Office-Dokumenten ist zwar schon seit mehr als zwölf Jahren möglich, aber so intensiv genutzt wie jetzt wurde diese Funktion sicherlich noch nie.
Die Verlegung von Daily Stand-up-Meetings in die digitale Welt und Tools wie Microsoft Teams oder Slack ist gerade der Quasi-Arbeitsstandard in dieser Welt. Aber wie bekommen wir die sozialen Beziehungen der Menschen digitalisiert? Stündlich treffen neue und noch erschütterndere Nachrichten ein. Dazu muss der Mensch sich austauschen. Und das nicht nur im immer gleichen Kreis der Familie, sondern in einem Umfeld von Gleichgesinnten. Menschen, die ebenfalls von dem Problem betroffen sind, und die vielleicht ebenfalls Angst um Ihren Job haben oder nicht wissen, wie sie finanziell mit Kurzarbeit oder Ähnlichem in naher Zukunft ihre Rechnungen bezahlen sollen. Bei diesem nicht erfüllten Bedürfnis des sozialen Miteinanders unter Menschen, die das gleiche Schicksal teilen, kann schnell ein Lagerkoller in den eigenen vier Wänden entstehen. Dann haben im Extremfall nicht nur die Hebammen zu Weihnachten Urlaubssperre, sondern auch die Scheidungsanwälte. Dies gilt es unbedingt zu verhindern.
Die tägliche Videokonferenzen ersetzen Rituale
Wir arbeiten in unserer Firma seit nunmehr einer Woche verteilt in Bremen im Homeoffice. Die meisten von uns in mehreren Teams und Projekten gleichzeitig. Das Daily mehrmals am Tag in unterschiedlicher Zusammenstellung gehört längst zum Standard. Was sich jedoch deutlich bemerkbar macht ist, dass die Durchführung der Dailys eine deutlich andere Form angenommen hat. Es geht nicht mehr nur darum innerhalb von maximal 15 Minuten Informationen zur momentanen Arbeit auszutauschen. Es werden in der Regel immer 30 Minuten daraus, und die privaten Themen überwiegen längst die betrieblichen.
Die täglichen Videokonferenzen haben Rituale ersetzt, die es in jeder Firma gibt. Denn auch die täglichen zehn Minuten Smalltalk an der Kaffeemaschine sind für ein soziales Gefüge enorm wichtig, um die Menschen motiviert und produktiv zu halten. Je mehr New-Work-Romantik schon in einer Firma steckt, desto größer dieses Bedürfnis. Als wir diese neue Form der virtuellen Treffen an der Kaffeemaschine bemerkt haben, haben wir das einfach direkt in den Tagesablauf mit eingeplant. Es wurden Social-Video-Meetings in die Kalender der Teams eingestellt, in denen es ausschließlich darum geht, sich über alles, was uns gerade bewegt, auszutauschen, so wie noch letzte Woche an der Kaffeemaschine. Auch eine dauerhafter Kaffeemaschinen-Video-Termin von 8.00 bis 18.00 Uhr ist denkbar, zu dem jeder kommen und gehen kann, wenn er möchte, und sich mit denen austauschen, die auch zufällig gerade dort sind.
Wenn wir also nun alle die nächsten Tage und Wochen im Homeoffice arbeiten müssen, so lasst uns zumindest dafür sorgen, dass wir nicht kollektiv zu Sozialzombies werden. Die Kollegen werden es euch danken - Eure Familien auch!