Arbeit und Leben
Vom Homeoffice in den Ruhestand
01. Februar 2022 / Ronia Reichel
Arbeit und Leben
01. Februar 2022 / Ronia Reichel
"Rentner haben keine Zeit." Daran muss wohl etwas Wahres sein, findet Waldemar Urbanek. Er war langjähriger Mitarbeiter der HEC und ist nun der allererste, der in Rente gegangen ist. Ich habe ihn zu einem Gespräch getroffen und wir haben über Homeoffice, Kaffeeklatsch, Zufälle, Spontanität und ferne Reiseziele gesprochen.
Bei unserem Teams-Termin sitzt mir ein sympathischer, fröhlicher und redseliger Mensch gegenüber. Oder besser gesagt vor der Kamera, zuhause in Oldenburg. Zeit im eigenen Haus mit Garten hat er während seiner Arbeitszeit wenig verbracht. Zuletzt arbeitete er dauerhaft in Braunschweig und war dort als Vertreter der HEC bei einem großen Finanzdienstleister tätig. Nur an den Wochenenden kehrte er zurück zu seiner Familie. Im Nachhinein hätte er das gerne anders gestaltet: "Wenn ich die ganz Woche über unterwegs war, konnte ich meine Kinder nicht aufwachsen sehen, nur am Wochenende." Homeoffice war damals noch nicht denkbar. "Leider war das so, dass mein Projektleiter darauf bestanden hat, dass man fünf Tage vor Ort sein muss." Heute wäre das anders möglich und Urbanek plädiert dafür: "Nutzt die neuen Möglichkeiten, die es jetzt gibt."
Die Homeoffice-Verordnung im Zuge der Pandemie kam ihm zugute. Auf diese Weise hatte er, wie er es selbst formuliert, einen sanften Einstieg in die Rente und in die "Dauerpräsenz" zuhause. Das sagt er zwar mit einem Augenzwinkern, aber tatsächlich ist es so, dass ihm das Zuhause-Arbeiten viele lange Fahrtzeiten erspart und mehr Zeit mit der Familie geschenkt hat. "Das Einzige ist, dass man sich persönlich mit den Kollegen nicht mehr gesehen hat. Die informellen Gespräche beim Kaffee oder so fehlen einfach." Nicht einmal auf dem Bildschirm sah Waldemar Urbanek seine Kolleg:innen, denn Videotelefonie war an seinem Arbeitsplatz nicht üblich. Stattdessen waren auf dem Screen nur Präsentationen und Statistiken zu sehen.
Auch wenn er seit knapp neun Monaten nicht mehr im Beruf ist, lässt ihn die Arbeit am Computer, insbesondere das Programmieren, nicht los. "Ja, ich mache noch weiter. An Programmen rumbasteln – das hat mich fasziniert und das fasziniert mich immer noch." Nun kann er seine liebsten Tätigkeiten, wegen denen er einst diesen Beruf erlernt hat, wieder nachkommen. In den letzten Jahren seines Berufsalltages standen nämlich andere Aufgaben im Vordergrund. "Zuletzt hatte ich mit der Programmierung nur noch wenig zu tun. Aber jetzt kann ich mich wie so ein Autobastler, der sich in seiner Freizeit die alten Autos vornimmt, meine alten Programme vornehmen." Auch Neues will er wagen: "Vielleicht mal eine App programmieren – das habe ich noch nie gemacht."
Dass er damals, 1976, das Informatik-Studium aufgenommen hat, war alles andere als selbstverständlich, und auch ein Funken Zufall brachte ihn auf seinen Weg. "Damals war Informatik noch relativ neu. Ich war einer der Ersten, die Informatik studiert haben." Über die zentrale Vergabestelle kam er nach West-Berlin, auch wenn das nicht seine erste Wahl war. "Aber im Nachhinein war das schön. West-Berlin als Studienort war super. Es war immer sehr viel los, viele junge Leute... Zum Studieren ist das optimal."
Zufall und Spontanität spielten eine große Rolle in Waldemar Urabneks Leben. "Nach dem Studium bin ich direkt nach Kanada gegangen. Das war reiner Zufall. Ich habe als Studentische Hilfskraft am Rechenzentrum der TU Berlin gearbeitet." Da ist er zufällig auf eine Ausschreibung für ein Auslandspraktikum in Kanada gestoßen. Und so hat er "schnell" seine Diplomarbeit fertig geschrieben, die Sachen gepackt und ist noch bevor er seinen Abschluss bekommen hat, nach Kanada gereist. Die Diplom-Auszeichnung musste sein Bruder dann für ihn abholen.
Er hat viele berufliche Stationen durchlaufen und kam auf Umwegen schließlich zur HEC. Seine Arbeitszeit verbrachte er stets im Remote-Team in Braunschweig. Nur zu Firmenfeiern kam er nach Bremen. Gerne hätte er einen engeren Draht zu seinem eigentlichen Arbeitgeber gehabt. Die Atmosphäre in der HEC hat ihm von Anfang an sehr gut gefallen. "Ich habe sehr viele nette Kollegen getroffen." Was er mit der HEC verbindet? "Ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl. Deshalb fand ich es so schade, dass ich nicht mehr Möglichkeiten hatte, mich mit den Kollegen auszutauschen."
Denjenigen, die gerade in den Beruf starten und noch ganz am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn stehen, rät Urbanek ganz klar: "Man muss dahinterstehen. Wenn man das nur des Geldes wegen macht, dann klappt das nicht auf lange Zeit gesehen. Man muss das, was man macht, mögen." Aber man sollte die Work-Life Balance im Blick behalten: "Jetzt wo alle miterleben, dass es möglich ist, sollten wir überlegen, ob wir einen Teil unserer Arbeitszeit im Homeoffice verbringen. Nutzt die neuen Möglichkeiten die es jetzt gibt, aber verzichtet nicht ganz auf die Präsenz."
Und noch ein Tipp hat er parat: "Man sollte die Übergangsphasen für sich nutzen, einfach um ein bisschen Abstand zu bekommen. Ich weiß nicht, ob es Sinn macht, sich direkt in die nächste Sache zu stürzen, direkt loszulegen und loszuarbeiten." Er selbst nutzte das angesparte Geld, das er in Jobs verdient hat, meist für Reisen. Dabei ging es mal nach Australien, in die USA, nach Japan, Südkorea oder auf die Philippinen. Diese Leidenschaft will er jetzt wieder mehr aufleben lassen und hofft, wie wir alle, dass die Pandemie das bald wieder zulässt.
Die 50 Minuten Gespräch vergingen wie im Fluge, und am Ende verabschiedeten wir uns herzlich voneinander und verließen das Meeting. Auf einmal war der Bildschirm wieder schwarz und wir saßen in unserem jeweiligen Zuhause. Komisch, wie viel man von einem Menschen erfahren kann, ohne ihn jemals gesehen zu haben. Danke Waldemar Urbanek, für die Offenheit und das Gespräch.
Das Gespräch führte Ronia Reichel, Werkstudentin im Marketing der HEC.