Logistik / Trends und Technologien
Wenn Glas auf Reisen geht: Innovative Softwarelösung von Gestellpool Europe beschleunigt das Management von Gestellen
15. Oktober 2024 / Annekathrin Gut
Isolierglasscheiben, Sicherheitsglas oder fertige Fenster müssen ohne Schaden vom Hersteller zum Abnehmer gelangen. Dafür gibt es spezielle Transportgestelle, auf denen die Glasscheiben sicher verstaut und per Lkw ausgeliefert werden können. Aber wer kümmert sich darum, dass die Gestelle anschließend auch wieder zurück zu ihren Besitzern gelangen?
„Da setzen wir an“, sagt Felix Spangenberg, Geschäftsführer der Gestellpool Europe GmbH & Co. KG. Die Firma aus Hannover verwaltet für seine 92 Mitgliedsunternehmen die Transportgestelle. Rund 180.000 sind das aktuell. Gestellpool übernimmt zu brancheneinheitlichen Konditionen die gesamte Kommunikation rund um das Gestell-Management. Unterstützt wird die Dienstleistung durch eine cloudbasierte Softwarelösung. Alle vier Wochen gibt es mit jedem Update neue, hilfreiche Funktionen.
Das Problem: Transportgestelle verschwinden
Jährlich verschwinden Tausende Transportgestelle. Das sorgt für Lieferverzögerungen und Stillstand auf Baustellen. „Was uns immer ein Anliegen ist, ist alles, was den Gestellumlauf beschleunigt“, sagt Felix Spangenberg. Sein Ziel ist es, dass die Gestelle früher zurück ins Werk gelangen, damit sie schneller wieder mit neuen Produkten beladen und ausgeliefert werden können. Damit mehr Gestelle nach der Anlieferung wieder als frei gemeldet werden, erhalten die Glas-Kunden eine Erinnerung. Und wer die Frist von 49 Tagen überschreitet, bekommt durch Gestellpool dafür Mietkosten berechnet.
Während sich die Empfänger oft nicht genügend um die Rückgabe kümmern, muss es bei den Lieferanten immer jemanden geben, der alle Transportgestelle im Auge behält. Felix Spangenberg hat festgestellt, dass das einige Unternehmen überfordert, weil häufig noch handschriftliche Notizen im Umlauf sind. Auch hier unterstützt Gestellpool mit der Digitalisierung der Prozesse.
Mit Hilfe von GESA
Gestellpool entwickelte für die Glas-Lieferanten das Softwaresystem GESA, mit dem diese die Auslieferung und Abholung erfassen können. Auch die elf Gestellpool-Mitarbeitenden wickeln als zentraler Ansprechpartner darüber die gesamte Kundenkommunikation ab. „Wir verarbeiten 17.000 bis 18.000 Freimeldungen pro Monat über die Software, die Apps und die Webanwendung. Dreiviertel davon bereits voll automatisch. Das könnten wir alles händisch nicht mehr leisten - jedenfalls nicht mit der Mannschaftsstärke“, betont Felix Spangenberg.
GESA bietet neben der Webanwendung zwei Apps für den mobilen Einsatz – etwa um die Barcodes an den Transportgestellen zu scannen. Mit GESAcargo entsteht aktuell eine Lösung speziell für Speditionen. Damit wird das Problem gelöst, dass viele Lkw von Subunternehmen oft nicht mit Scannern und der notwendigen App zum Einlesen der Barcodes ausgestattet werden können. GESAcargo soll dagegen auf jedem Smartphone funktionieren.
Gründe für ein individuelles Softwaresystem
Schon vor GESA verwendete Gestellpool ein Softwareprodukt, das jedoch gegen Ende der 2010er-Jahre technologisch veraltet war und sich nicht weiter auf die Bedürfnisse von Gestellpool anpassen ließ. „Mit der Masse der Transportgestelle, der Anwender und der Buchungen, die die abgearbeitet hat, war diese Software einfach nicht mehr leistungsfähig genug“, erzählt Felix Spangenberg, der 2019 als Projektmanager und späterer Product Owner bei Gestellpool einstieg.
Das Unternehmen entschied sich dafür, selbst eine Software zu entwickeln. Allerdings wollte Gestellpool keine IT-Abteilung aufbauen, sondern suchte nach einem Softwareentwicklungspartner. „Und die HEC hat damit überzeugt, dass sie vom Prozess her am sinnvollsten war. Sie hat von Anfang an auf eine agile Vorgehensweise abgezielt. Nicht auf das klassische Lasten- und Pflichtenheft, was andere vorgeschlagen haben“, berichtet Felix Spangenberg. „Das hat dazu geführt, dass man sich für die HEC entschieden hat und nicht für den günstigsten Anbieter. Meiner Meinung nach genau die richtige Entscheidung.“
Mehr Nutzen durch agile Softwareentwicklung
„Der große Vorteil war – oder ist es immer noch –, dass wir wahnsinnig flexibel sind“, sagt Felix Spangenberg. „Wir können schnell auf Wünsche von unseren Mitgliedern eingehen.“ Als Product Owner ist er häufig selbst zu den Gestellpool-Unternehmen gefahren oder hat sie regelmäßig zu den Reviews eingeladen. So konnte er viele Bedürfnisse und Sorgen besser verstehen – und mit Hilfe der Software lösen. „Da ist das Agile toll, weil man innerhalb von wenigen Wochen sagen kann: Jetzt gehen wir das Thema an. Und vier Wochen später gehen wir ein anderes Thema an.“
Manchmal benötigten die Anwender:innen nur anders aufgebaute Übersichten, um im Arbeitsablauf zwei Klicks zu sparen. Manchmal werden aber auch ganz neue Funktionen gewünscht. Zum Beispiel die, mit der die Disponent:innen im Anschluss an die Tourenplanung ihre Kund:innen per E-Mail darüber informieren können, dass ein Lkw auf dem Weg zu ihnen ist. Ganz so, wie man das von Paketdienstleistern kennt. Auf Wunsch wurde auch eine Karte für die Fahrer-App entwickelt, auf der sich alle abholbereiten Gestelle anzeigen lassen. Damit können die Fahrer:innen ihre Touren flexibler planen und die Lkw besser auslasten.
Im letzten Jahr hat Gestellpool GPS-Tracker ins System integriert. Diese können die Mitgliedsunternehmen optional dazubuchen. „Unser Basissystem beruht auf dem Scannen von Barcodes bei Auslieferung und Abholung. Dadurch erfassen wir die Gestellbewegung“, erklärt Spangenberg. „Mit den GPS-Trackern habe ich die Möglichkeit, unabhängig vom Scannen der Gestelle auch die Bewegungen quasi in Echtzeit nachzuverfolgen.“
Striktes Vorgehen nach Scrum
Trotz Herausforderungen ganz zu Beginn konnte das GESA-Projekt dank des agilen Ansatzes erfolgreich entwickelt werden. Der Livegang der ersten Version musste zwar verschoben werden, damit alle Anforderungen vollständig umgesetzt werden konnten. Doch die Lernerfahrung war wertvoll.
„Den Dreh haben wir gekriegt, indem wir angefangen haben, uns noch strikter an das agile Vorgehen, an Scrum, zu halten“, sagt der Gestellpool-Geschäftsführer. Die Anforderungen wurden gemeinsam mit den Stakeholdern und den Softwareentwickler:innen noch genauer erfasst und ein Teil der Technologie neu entwickelt. „Ab dann haben wir streng nach Scrum weiterentwickelt und peu à peu alle vier Wochen ein Update gemacht, das die Software dann nach vorne gebracht hat.“
Über Gestellpool
Die Gestellpool Europe GmbH & Co. KG übernimmt für aktuell 92 Unternehmen das Gestellmanagement. Für seine Mitglieder – die Lieferanten – und für die Gestell-Empfänger ist das Unternehmen der zentrale Ansprechpartner. Entstanden ist Gestellpool aus einem Zusammenschluss von Glasherstellern. Elf Mitarbeitende kümmern sich um alle Anliegen rund um die Transportgestelle. Seit Juni 2024 ist Felix Spangenberg alleiniger Geschäftsführer von Gestellpool.
In Zukunft KI-gestützte Bearbeitung?
Für die Zukunft denkt Spangenberg über den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) nach. Um die Standortbestimmung der GPS-Tracker noch genauer zu machen, werde KI sicherlich eine Rolle spielen. Intern könne KI dafür sorgen, die Prozesse bei Gestellpool künftig stärker zu automatisieren. Dafür habe die HEC schon vor einiger Zeit eine Machbarkeitsstudie angefertigt. „Wir bekommen ganz viele Freimeldungen per E-Mail. Diese E-Mails werden aktuell von Menschen gelesen und in die Software umgesetzt. Da kann ich mir vorstellen, dass das zukünftig zu einem großen Teil eine KI macht.“
Wertschöpfung im Team
Bis heute ist Felix Spangenberg vom agilen Vorgehen überzeugt: „Man kann wahnsinnig schnell Ergebnisse liefern. Wir haben im Durchschnitt alle vier Wochen ein Update. Sei es von den beiden Apps oder von der Web-Applikation. Man kann alle vier Wochen den Anwendern was Neues bieten. Mal groß, mal klein, aber kontinuierlich.“
Die agile Softwareentwicklung hat auch andere Bereiche des Unternehmens inspiriert. Felix Spangenbergs Vorgänger Sebastian Block hat als Geschäftsführer Methoden wie das OKR-Zielsystem, Agiles Coaching oder Scrum eingeführt und gefördert. Ein Projektraum mit gelbem Sitzsack, Hockern, Flipchart und einem Kasten für Ideen zur nächsten Team-Retrospektive erinnert daran, dass bei Gestellpool gemeinsam an der kontinuierlichen Verbesserung der Teamarbeit, der Dienstleistung und der technologischen Unterstützung gefeilt wird.
„Die Technologie ist bei Gestellpool nur ein kleiner Teil von unserem Service.“, sagt Felix Spangenberg. „Die eigentliche Wertschöpfung wird in den Büros betrieben, wo sich die Leute um die Transportgestelle kümmern, ans Telefon gehen, wenn Kunden anrufen, auf zig hunderte E-Mails antworten, die hier pro Tag eintreffen. Das geht natürlich nur mit dieser gut funktionierenden Software.“
Über die Autorin
Annekathrin Gut
Unternehmenskommunikation0421 20750 890 E-Mail senden
Seit über 20 Jahren ist Annekathrin im Kommunikations- und Marketingbereich aktiv, seit 2019 für die HEC. Die Kulturwissenschaftlerin und Public Relations-Beraterin begleitet Unternehmen und Institutionen aus der (Digital-)Wirtschaft dabei, ihre individuelle Strategie und ihr Auftreten in der Öffentlichkeit zu finden. Für sie ist es immer wieder spannend, Menschen kennenzulernen und Ideen in Texte, Storys, Kampagnen und Projekte umzusetzen.