Ein Mann steht vor einem Schreibtisch mit Bildschirmen

Methoden und Wissen

Product Ownership: Produkte erfolgreich entwickeln

20. Februar 2023 / Annekathrin Gut

Moderne Produktentwicklung

Was Product Owner:innen brauchen, um erfolgreich zu sein

Agile Soft­wa­re­ent­wick­lung nach Scrum sieht die Aufgabe eines Product Owners – oder einer Product Owne­rin – mit spezi­fi­scher Verant­wort­lich­keit für das Ergeb­nis vor. Er oder sie ist Anwäl­tin des Produk­tes und versucht, den maxi­ma­len Nutzen in das zu entwi­ckelnde Soft­wa­re­pro­dukt zu brin­gen. Bei diesem anspruchs­vol­len Job gilt es, Anfor­de­run­gen von Inter­es­sen­grup­pen auszu­ba­lan­cie­ren und mit der fach­li­chen Sicht des Entwick­lungs­teams in Einklang zu brin­gen.

In unse­rem Gespräch erzählt Frank Düster­beck, Agiler Bera­ter der HEC und Geschäfts­füh­rer der Kurs­wech­sel Unter­neh­mens­be­ra­tung, was die Rolle von Product Owner:innen so komplex macht und wie Unter­neh­men mit weni­ger Risiko in die Produkt­ent­wick­lung gehen können. Gemein­sam mit Ina Einemann (Open Know­ledge GmbH) hat er das Buch „Pro­duct Owner­ship meis­tern“ geschrie­ben, in dem sich zahl­rei­che Metho­den nach­le­sen lassen.

Für alle, die nicht ganz so sicher mit Scrum sind: Was sind die wesentlichen Aufgaben von Product Owner:innen?

Frank Düster­beck: Product Owner ist jemand, der in einem Team gemein­sam mit ande­ren Menschen dafür sorgt, dass eine Problem­lö­sung bezie­hungs­weise ein Produkt herge­stellt wird. Der Product Owner zeich­net für das Ergeb­nis verant­wort­lich: Was soll das Produkt können, damit das Problem, das es lösen soll, auch wirk­lich gelöst wird?

Grafik mit vier Aspekten des Innovation-Sweet-Spot

Was macht einen guten Product Owner oder Ownerin aus?

Es sind mehrere Fakto­ren. Welche, die von außen kommen und welche von innen. Von außen: Ein Product Owner muss vom Unter­neh­men das Mandat haben, ein Produkt herzu­stel­len. Das bedeu­tet, dass er die Entschei­dun­gen tref­fen darf, um die Produkt­ent­wick­lung zu gestal­ten.

Diese basie­ren auf vier Aspek­ten, dem soge­nann­ten Inno­va­tion-Sweet-Spot. Auf der Wünsch­bar­keit: Löst das Produkt am Markt ein rele­van­tes Problem bezie­hungs­weise befrie­digt es die Bedürf­nisse der diver­sen Inter­es­sen­grup­pen? Der Aspekt der Mach­bar­keit: Ist es über­haupt umsetz­bar? Und der Lebens­fä­hig­keit: Zahlt das auf das Geschäfts­mo­dell ein? Heute kommt immer häufi­ger noch die Nach­hal­tig­keit hinzu: Zahlt es auf die Gesell­schaft ein?

Und worum geht es bei den internen Faktoren?

Produkt­ent­wick­lung ist immer ein komple­xes Problem. Es ist wich­tig, die Prin­zi­pien zu kennen und zu können, die dazu führen, dass man komplexe Probleme lösen kann. Produk­ten­wick­lung hat Fokusthe­men, in die zu einem bestimm­ten Zeit­punkt viel Arbeit hinein­ge­steckt werden muss.

Wenn du eine Idee hast, musst du diese erst einmal pitchen, ob sie wirk­lich gut ist. Dann musst du sie anhand von Wünsch­bar­keit, Mach­bar­keit, Lebens­fä­hig­keit, Nach­hal­tig­keit am Markt vali­die­ren: Ist das wirk­lich ein gutes Produkt? Um dann in die Entwick­lung zu gehen. Bei jedem dieser Fokusthe­men bis hin zur Ablö­sung eines Systems muss ein Product Owner wissen, was er machen sollte, damit er dessen Zweck erreicht. 

Dazu muss er ein wahn­sin­ni­ges Set an Metho­den­wis­sen haben und mit den Menschen umge­hen können, die Anfor­de­run­gen an das Produkt stel­len oder es entwi­ckeln.

Welche speziellen Fähigkeiten brauchen Product Owner:innen?

Ein Product Owner muss rich­tig gut darin sein, ein großes Problem – „irgend­was mit Kunden“ – in klei­nere Probleme aufbre­chen zu können. Einen Auftrag wie „Wir wollen mit unse­rem CRM unsere Kunden verwal­ten“ musst du irgend­wie in hand­hab­bare Häpp­chen brin­gen, damit diese abge­ar­bei­tet werden können. Bis hin zum Beispiel zur User Story, die die Entwick­ler umset­zen können.

Fällt es Unternehmen schwer zu begreifen, dass sich nicht einfach jemand an das große Problem setzt, sondern dass sich die Lösung mit der Zeit entwickelt?

Das ist genau das Problem. Du kannst nicht am Anfang alles durch­pla­nen. Mal abge­se­hen davon, dass sich die Anfor­de­run­gen durch unsere dyna­mi­sche Umwelt stetig ändern, musst du immer wieder neu denken. Du fängst mit etwas an, machst  Erfah­run­gen und dann musst du auch bereit sein, einen ande­ren Weg einzu­schla­gen, damit etwas wert­schöp­fen­des Gutes heraus­kommt. Das stumpfe Verfol­gen eines Plans hilft hier nicht weiter und führt zu schlech­ten Produk­ten.

Unser Experte

Frank Düsterbeck

macht Arbeit wert(e)voll – als Geschäfts­füh­rer der Kurs­wech­sel Unter­neh­mens­be­ra­tung GmbH, Bera­ter bei der HEC GmbH, Dozent, Fach­bei­rat und Spre­cher auf diver­sen Konfe­ren­zen und Veran­stal­tun­gen. Er ist Experte in den Berei­chen digi­tale Produkt­ent­wick­lung, Inno­va­tion sowie Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung und -Trans­for­ma­tion. Immer mit dem klaren Ziel, wirk­lich etwas im Denken seiner Gegen­über zu bewir­ken und über den Einsatz moder­ner Verfah­ren und Metho­den, eine wert­brin­gende und wert­schöp­fende Zusam­me­n­a­r­beit zu ermög­li­chen.

Als Beschreibung für Product Owner fällt oft das Stichwort „Wertmaximierer“. Was heißt das?

Der Wert ergibt sich aus der Befrie­di­gung der Bedürf­nisse aller Stake­hol­der. Aber eben nicht nur von den Kunden. So gibt es zum Beispiel den feinen Unter­schied zwischen Nutzer und Nutz­nie­ßer. Nutzer eines CRM-Systems könnte jemand sein, der die Daten eingibt. Der zieht aber keinen Nutzen aus dem Produkt. Nutzen ziehen wir zum Beispiel im Marke­ting daraus, indem wir diese Daten nutzen können und damit coole Kampa­gnen machen.

Wenn die Dateneingabe reibungslos funktioniert, freut sich der Nutzer aber auch!

Das ist total wich­tig! Wenn du ein Produkt nutzen musst, obwohl du gar keinen Nutzen daraus ziehst, dann ist es wich­tig, dass die Benut­zung einfach ist. Wenn wir das einfa­cher machen, haben wir durch das neue Produkt schon ein Problem gelöst.

Aber noch mal kurz zurück zum Wort Wert­ma­xi­mie­rer. Wert maxi­mie­ren funk­tio­niert eben nur, wenn der Product Owner die Bedürf­nisse aller Stake­hol­der im Blick hat. Eine total schwie­rige Aufgabe!

Wie hat sich die Akzeptanz von Product Owner:innen in Unternehmen in den letzten Jahren verändert?

Die Unter­neh­men merken, dass Produkt­ent­wick­lung nicht so einfach ist, wie sie manch­mal denken. Sie grei­fen dann zu Metho­den wie zum Beispiel Scrum und etablie­ren auch Product Owner. Häufig sind diese dann aber leider nur Projekt­lei­ter 2.0, denn es wird nicht rich­tig verstan­den, wie Produkt­ent­wick­lung heute geht. Nämlich nur im Team mit verschie­de­nen Exper­ti­sen.

Die Akzep­tanz für „es gibt so eine Rolle“ ist da. Aber das wirk­li­che Verständ­nis, was dahin­ter steckt, nämlich die spezi­fi­sche Ergeb­nis­ver­ant­wort­lich­keit, ist häufig noch nicht da. Es gibt ganz viele Leute, die sollen Product Owner­ship machen, aber wissen gar nicht so genau, wofür sie verant­wort­lich sind und wofür nicht oder wie sie die Verant­wort­lich­keit umset­zen können.

Wenn du als Product Owner ein gutes Produkt machen willst, musst du viele Entschei­dun­gen tref­fen. Das dürfen dummer­weise die wenigs­ten Product Owner.

Ihr arbeitet mit vielen Product Ownerinnen und Ownern aus unterschiedlichen Unternehmen zusammen. Welche Schwierigkeiten schildern sie aus ihrem Berufsalltag?

Oft sind sie nur Erfül­lungs­ge­hil­fen, zum Beispiel für die Fach­be­rei­che. Die Leute kommen mit Anfor­de­run­gen zu ihnen und erwar­ten, dass diese eins zu eins im Produkt umge­setzt werden. Und es sind immer zu viele Anfor­de­run­gen! Die Product Owner können diese nicht rich­tig prio­ri­sie­ren, weil sie viel­leicht gar nicht wissen wonach. Also zum Beispiel: Was bringt den größ­ten Wert? Wie kriege ich die Inter­es­sen der Stake­hol­der über­ein­an­der?

Häufig dürfen sie gar nicht direkt mit den Stake­hol­dern spre­chen. Das macht sie zu Erfül­lungs­ge­hil­fen und eben nicht zu manda­tier­ten Product Ownern. Die Rolle heißt nicht umsonst „Owner“!

Auf der ande­ren Seite ist da das Team, das manch­mal gefühlt gegen den Product Owner arbei­tet oder Schät­zun­gen ablie­fert, die niemals einge­hal­ten werden. Die er aber vertre­ten muss. Es entsteht ein „Die“ und „Ich“.  Etwas, was guter Produkt­ent­wick­lung total wider­spricht, denn diese funk­tio­niert nur im Team. Nicht selten empfin­det der Product Owner Druck durch Stake­hol­der oder durch die Geschäfts­füh­rung, die zum Beispiel fragt: Geht die Produkt­ent­wick­lung nicht schnel­ler? Diesen Druck gibt er an die Entwick­ler weiter, wenn er ihn nicht abfe­dern kann.

Titelbild des Buches "Product Ownership meistern"

Buchtipp

Frank Düster­beck / Ina Einemann:

"Product Owner­ship meis­tern – Produkte erfolg­reich entwi­ckeln" zeigt auf, warum heuti­ges Produkt­ma­na­ge­ment nicht nur kompli­ziert, sondern komplex ist und gibt Hilfe­stel­lun­gen, wie sich die Komple­xi­tät meis­tern lässt – von der ersten Produk­t­i­dee bis zur Produk­t­ablöse den gesam­ten Lebens­zy­klus entlang.

Wie könnt ihr dabei helfen, Product Ownership zu meistern?

In der HEC versu­chen wir über inten­sive Ausbil­dungs­kon­zepte, die über mehrere Tage gehen, für das Aufga­ben­kon­glo­me­rat zu sensi­bi­li­sie­ren. Das ist aber auch immer nur ein tiefer Impuls. Wirk­lich gut helfen können wir, indem wir mit dem/der Product Owne­rin arbei­ten und sie in der konkre­ten Produkt­ent­wick­lung beglei­ten. Ergän­zend bieten wir auch Hospi­ta­ti­o­nen in unse­ren eige­nen Scrum Teams an.

Ganz schlimm ist es, wenn ein Product Owner in einer Company ganz alleine ist und sich nicht austau­schen kann. Gut finde ich dann, Konfe­ren­zen oder User Groups zu besu­chen, um zu netz­wer­ken.

Wich­tig ist auch, dass der Product Owner eine Koali­tion mit den Entwick­lern und dem Scrum Master eingeht. Der Scrum Master soll dabei dem Product Owner helfen, Scrum und die notwen­di­gen Metho­den besser zu verste­hen.

Viele Product Owner haben leider gar nicht die Ausbil­dung, sondern werden einfach so ins kalte Wasser geschmis­sen. Da gibt’s dann noch eine Zerti­fi­zie­rung und dann ist man meis­ter­li­cher Product Owner. So funk­tio­niert das aber leider nicht. Hinzu kommt: Product Owner­ship braucht Zeit. Das ist eben nicht mal so neben­bei gemacht.

Welche Tipps gibst du Unternehmen, wie sie vorgehen sollten, wenn sie Product Owner:innen etablieren möchten?

Ich rate, erst­mal mit einer klei­nen Produkt­ent­wick­lung anzu­fan­gen. Mit etwas Inno­va­ti­vem viel­leicht. Immer mit dem Bewusst­sein, dass man das auch abbre­chen kann, wenn man erkennt, dass die vier Aspekte Wünsch­bar­keit, Mach­bar­keit, Lebens­fä­hig­keit, Nach­hal­tig­keit, nicht erreicht werden.

An einer klei­nen Produkt­ent­wick­lung zu üben und diese extern beglei­ten zu lassen, finde ich total wich­tig. Man würde mit einer Mini-Ausbil­dung anfan­gen, damit alle ein gemein­sa­mes Verständ­nis für komplexe Produkt­ent­wick­lung bekom­men. Dann kann man Scrum einset­zen und lernen, das ist aber kein Muss. Die spezi­el­len Ausbil­dun­gen in Product Owner­ship, für Entwick­ler und für Scrum Master kann man super am konkre­ten Beispiel machen.

Für größere Produkt­ent­wick­lun­gen stel­len wir jeman­den, der den Kunden Product Owner unter­stützt und auch ausbil­det. Das heißt, wenn wir mit einer Firma als Digi­ta­li­sie­rungs­part­ner in Co-Krea­tion gehen, dann stel­len wir immer ein komplet­tes Team, inklu­sive Entwick­ler, Scrum Master, Proxy-Product Owner.

Wie hoch ist noch der Bedarf an Wissen?

Es ist sehr viel Bedarf da. Das Risiko in einer Produkt­ent­wick­lung ist gigan­tisch groß. Zu schei­tern kann unglaub­lich viel Geld kosten, egal ob das ein Produkt ist, was deine interne Digi­ta­li­sie­rung darstellt, oder nach außen hin deine Produkte digi­ta­ler macht. Wir sehen über­all, dass zig Milli­o­nen Euro für Digi­ta­li­sie­rung ausge­ge­ben werden, die kein Mensch braucht, oder die nicht funk­tio­niert. Eine Produkt­ent­wick­lung klug anzu­ge­hen und bei Bedarf auch früh stop­pen zu können, ist also essen­zi­ell wich­tig. Nur so können wir den komple­xen Heraus­for­de­run­gen gerecht werden.

Interessiert? Nehmen Sie Kontakt auf!

Frank Düsterbeck

Frank Düsterbeck

Agile Beratung

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