Ein Schwertransport fährt in der Nacht an einem großen, historischen Gebäude vorbei

Logistik / Trends und Technologien

Partnerbörse für Lkw und Last: Die Online-Plattform HeavyBoost reduziert Leerfahrten im Transportgewerbe

18. September 2024 / Annekathrin Gut

Wenn ein Schwertransport seine Last abgeladen hat und leer zurückfährt, dann ist das weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll. Ol­­af Beckedorf, Vorstandsvorsitzender der BigMove AG, hatte die Idee, mit Hilfe einer Softwarelösung die Auslastung zu verbessern. Der Initiator überzeugte in den letzten Jahren einige Partner, sich an dem Vorhaben zu beteiligen. Die Online-Plattform HeavyBoost bringt inzwischen erfolgreich leere Transportkapazitäten und Ladung zusammen. Seit ein paar Monaten ist sie für alle interessierten Speditionen zugänglich.

Über den Weg von der Idee zur gemeinsam mit der HEC entwickelten Softwarelösung erzählt Olaf Beckedorf im Interview. Für die Zukunft kann er sich vorstellen, dass noch ganz andere Branchen von der Plattform profitieren.

Es ist etwa fünf Jahre her, dass Sie zusammen mit der HEC mit der Projektierung der Online-Plattform HeavyBoost begonnen haben. Was hat sich seitdem getan?

Olaf Beckedorf: Die Idee basiert auf unserem Hauptgeschäft, dem Schwertransport. Wir waren damals nur mit viel Aufwand in der Lage, unsere Leerfahrten zu optimieren – zumindest nicht digital, so wie man sich das heutzutage vorstellt. Das sind wir angegangen.

Was bei der Digitalisierung häufig passiert ist, dass viele Facetten zuvor einer Optimierung bedürfen. Wir haben in den letzten drei Jahren mit sechs, sieben Partnern die Software weiter angepasst. Dafür haben wir Aufträge in Echtzeit simuliert und immer wieder mit den Mitarbeitern gesprochen, sowohl mit der Disposition als auch mit der Geschäftsführung.

Jetzt gehen wir mit der Software an den Markt. Vor einem halben Jahr haben wir einen Mitarbeiter bei HeavyBoost eingestellt, der sich um die weitere Optimierung und den Vertrieb kümmert.

Gab es auch Stolpersteine während der Entwicklung des Projektes?

Olaf Beckedorf: Partner, Budget, Zeit, Abstimmung. Alles, was Sie sich vorstellen können, waren unsere Probleme. Wir haben mit weiteren Partnern investiert. Wenn Sie das alleine machen, sind Sie viel schneller mit der Entscheidungsfindung. Politisch: CO2-Reduktion zum Beispiel war schon immer ein Thema. Das hat aber keiner so richtig wahrgenommen. Jetzt wird es politisch getrieben und jetzt wird es interessant. Also könnten wir auch interessant werden, weil wir eine funktionierende Antwort haben.

Olaf Beckedorf, Geschäftsführer der BigMove AG
Olaf Beckedorf, Initiator der Online-Plattform HeavyBoost für Schwertransporte

Lassen Sie uns über die Funktionen von HeavyBoost sprechen: Welche Vorteile ergeben sich für Fuhrunternehmen mit der Online-Plattform?

Olaf Beckedorf: Es ist ein System, um Leerfahrten im Logistikbereich zu vermeiden. Im Moment haben wir im Schwergutbereich Leerfahrten von bis zu hundert Prozent. Und bei kleineren Fahrzeugen reden wir vielleicht von um die 25 bis 30 Prozent. Ein weiteres Thema ist die CO2-Reduktion, die erfolgen muss.

Auf der anderen Seite bekommen wir nicht mehr Geld vom Kunden. Wir können nur bei uns intern optimieren, indem wir Leerfahrten vermeiden. Und das geht nur, wenn wir die Branche digital mit den notwendigen Informationen zusammenführen. Unser System verknüpft die passenden Transporte frühzeitig und automatisiert miteinander, sodass die Logistik-Ketten optimiert werden und kaum Leerfahrten entstehen.

Wie lange wird damit schon in der Praxis gearbeitet?

Olaf Beckedorf: Seit drei Jahren arbeiten wir mit unseren Probanden schon in der Praxis. Seit neuestem gehen wir auch an den breiten Markt. Das heißt, es gibt weitere Zugänge, die das System nutzen, miteinander kooperieren und kommunizieren.

Welche Erfahrungen haben die angeschlossenen Unternehmen mit dem System gemacht?

Olaf Beckedorf: Fakt ist: Wir haben Leerfahrten eingespart. Zweite gute Erfahrung ist, dass die angeschlossenen Unternehmen viel mehr Kontakt hatten. Sie haben durch den neuen, bilateralen Kontakt ihren Umsatz untereinander um fast 50 Prozent gesteigert. Wir sind an sich eine Partnerbörse, die es geschafft hat, nicht nur die Leerfahrten zu vermeiden, sondern auch den generellen Austausch unter Firmen zu verbessern. Das ist ein Nebeneffekt, der wirklich positiv ist.

Für welche Arten von Ladung eignet sich HeavyBoost?

Olaf Beckedorf: Komplettladung und alles, was darüber hinausgeht. Wir haben HeavyBoost ja für den Schwerguttransport entwickelt. Wir denken aber auch schon darüber nach, das System in der Schifffahrt einzusetzen. Oder für Kleinstladung. Wir sind die Schwergutjungs und werden HeavyBoost erstmal weiter so ausbauen. Und dann werden mit Sicherheit auch andere Branchen Einzug halten.

Logistik ist eher schwer zu standardisieren. Welche Vorgaben gibt es für Ihre Plattform?

Olaf Beckedorf: Logistik kann man schon standardisieren, wenn man das Verständnis dafür hat. Auch wir haben unsere Fahrzeugflotte standardisiert. Wir gehen nicht auf spezielle Feinheiten ein, sondern wir gehen über die standardisierten Einheiten. Wir rechnen in Achsen und deshalb wissen wir genau, welcher Fahrzeugtyp eine gewisse Ladung transportieren kann. Unsere Standardisierung ist, dass wir alle Fahrzeuge miteinander matchen können.

Die Feinheiten müssen die Unternehmer miteinander klären. Da ist die Plattform raus. Wir matchen nur. Danach telefonieren die Unternehmen und teilen ihre Ladung oder das Fahrzeug miteinander. Selbst das Kaufmännische wickeln sie individuell ab.

Generell ist Digitalisierung ein Fremdwort für unsere Branche. Immer noch. Einige steigen jetzt mit auf den Zug auf, um sich der realen Welt anzupassen.

Olaf Beckedorf

Wie steht es heute um die Digitalisierung in Ihrem Branchenzweig?

Olaf Beckedorf: Generell ist Digitalisierung ein Fremdwort für unsere Branche. Immer noch. Einige steigen jetzt mit auf den Zug auf, um sich der realen Welt anzupassen. Alle anderen sagen: Ich fahre von A nach B. Was interessiert mich Digitalisierung?  Das kriegen wir auch mit dem Faxgerät noch hin! Was ja an sich auch stimmt!

Wie konnten Sie Ihre Partner dennoch für ein Digitalisierungsprojekt gewinnen?

Olaf Beckedorf: Es muss immer einen Treiber geben, der die Leute überzeugt. Da wir keine Referenzprojekte und keine Kennzahlen haben, sind wir auf das Vertrauen unseres Gegenübers angewiesen. Dieses Leerfahrten-Thema habe ich schon seit über 15 Jahren im Kopf. Man muss abwarten, dass die Technologie und irgendwann auch die richtigen Partner vorhanden sind. Ich hatte einen Partner aus Holland, der schon lange digital unterwegs war. Die Holländer haben andere Weitsicht als wir. Es war eine Gemeinschaftsarbeit zwischen uns beiden, die anderen Partner zu überzeugen.

Die Plattform, mit der Sie jetzt arbeiten, ist technologisch gesehen eine vollständige Neuentwicklung. Was war der Grund dafür?

Olaf Beckedorf: Weil es sowas noch nicht gibt. Gibt es auch heute noch nicht. Ich gehe davon aus, dass künftig andere Global Player, das Pferd von hinten aufzäumen. Es gibt heute Plattformen, die sind im Prinzip eine Restebörse. Wenn die Unternehmen überhaupt keine Rückladung haben, gehen sie dort rein. Zu günstigsten Preisen. Aus meiner Sicht verlieren da beide Seiten.

Wir setzen dagegen schon bei der Disposition an. Wir wissen heute, wenn wir etwas eingeben: Habe ich Rückladung? Die optimiere ich vielleicht drei Wochen vorher und bin das ganze Problem los. Das Genehmigungsverfahren kann ich da auch schon aufeinander abstimmen.

Wenn Sie nach vorne schauen, welche Zukunftsideen haben Sie?

Olaf Beckedorf: Auf jeden Fall unser System auf andere Transportwege auszuweiten – Wasser, Straße, Luft. Dann vielleicht die Plattform für den Stückgutbereich bereitstellen. Oder für Dienstleistungen, die wir noch gar nicht kennen. Da gibt es mit Sicherheit vielfältige Ansätze. Und wir denken natürlich sowohl über den europäischen als auch über den Weltmarkt nach, wenn es hier gut funktioniert. Ich glaube, die nächsten eineinhalb Jahre werden es entscheiden. Der Markt muss unser System ja auch annehmen.

Aber wir sind ganz realistisch: Wir machen das aus Spaß und wir machen das nebenbei. Anders als Start-ups sind wir nicht die, die eine Idee haben, und dann sagen: Wir machen nur noch das. Wir sind ja Unternehmer. Wenn HeavyBoost funktioniert und wie eine Rakete abgeht, dann sind wir happy. Und wenn nicht, dann ist das auch okay. Wir müssen nicht erfolgreich sein wie ein Start-up. Wir haben aber noch viel vor: zum Beispiel, unser System um die KI-gestützte Ermittlung von Hotspots zu erweitern.