Trends und Technologien
Ein Familienunternehmen geht neue Wege
15. April 2019 / Annekathrin Gut
Seriös, persönlich und ein gewachsenes Vertrauen zwischen Kunde und Dienstleister. So sehen Vermittler ihre Stärken. Doch seit ein paar Jahren rollen Online-Vergleichsportale die ganze Branche auf. Weil hier kein Kunde mehr den direkten Kontakt zu einem Berater braucht, um günstige Konditionen zu finden, stellen diese das Geschäftsmodell der klassischen Versicherer in Frage. Der Bremer Assekuradeur C.Wm. KÖNIG Versicherungen GmbH & Co. KG geht deshalb neue Wege und setzt selber auf Digitalisierung.
„Das Gute aus der Welt von gestern“, nennt George C. Muhle, geschäftsführender Gesellschafter von König Versicherungen, die Kernkompetenz von König: Es gibt feste und kompetente Ansprechpartner, die die Kundinnen und Kunden persönlich kennen und Lösungen anbieten. In sechster Generation führt Muhle zusammen mit Dr. Christoph B. Klosterkemper das 1873 gegründete Unternehmen. König Versicherungen vermittelt als Großhändler zwischen rund 250 kleineren und mittelgroßen Versicherungsmaklern und den großen Konzernen, ein reines B2B-Geschäft. Zweites Standbein von Muhle und Klosterkemper ist die Atermann König & Pavenstedt GmbH & Co. KG, ein Maklerunternehmen, das auf die Versicherung von gewerblichen und industriellen Versicherungen spezialisiert ist. Jede der Firmen hat rund 50 Mitarbeiter.
Selbst den Ton angeben
Vor rund vier Jahren entschied Muhle, dass er nicht tatenlos zusehen wollte, wie irgendwann digitale Mitbewerber sein über 145 Jahre gewachsenes Familiengeschäft übernehmen. Er wollte lieber selber den Ton angeben. Durchaus selbstkritisch sieht der 42-Jährige die eigene Branche: „Die Digitalisierung zeigt uns, wo unsere verkrustete, intransparente Branche umgebaut werden muss.“
Vor solchen Herausforderung stehen nicht nur Assekuradeure wie die von Muhle, sondern alle kleinen und mittelständischen Betriebe (KMU). „Für viele ist Digitalisierung ein Mysterium, das sie nicht durchschauen“, sagt Markus Tholema, Digitalisierungsberater bei der Bremer HEC GmbH und Experte für das Förderprogramm go-digital. Laut einer Bitkom-Studie aus dem Jahr 2016 wissen 72 Prozent aller Unternehmen, dass sie Maßnahmen ergreifen müssen – aber nur 43 Prozent haben bislang eine zentrale Digitalisierungsstrategie.
go-digital: Finanzielle Hilfe vom Staat
Dabei gibt es mit go-digital für KMU und Handwerksbetriebe sogar finanzielle Hilfen vom Bundeswirtschaftsministerium. Die geförderten Strategien reichen vom Aufsetzen einer neuen Website bis hin zum Finden ganz neuer Geschäftsmodelle, um nicht von der Online-Konkurrenz überholt zu werden. Autorisierte Beratungsunternehmen wie die HEC helfen von der Antragstellung bis zur Umsetzung.
George Muhle googelte im Internet, las Branchenportale, studierte Websites und kontaktierte Startups: „Keiner hat uns abgewiesen.“ Was der Familienunternehmer von den coolen, jungen Typen mit den Kickertischen gelernt hat? „Es war sehr hilfreich zu verstehen, wie die ticken: Wir denken in Jahren, die denken in Wochen!“
Um in einem Branchenumfeld bestehen zu können, in dem viel Venture Capital im Umlauf ist, musste George Muhle Geld in die Hand nehmen. Als Beratungspartner holte er die HEC ins Boot, um die richtige Strategie zu finden. Das Unternehmen stellte einen IT-Leiter mit Konzernerfahrung ein, der den Titel „Leiter digitale Transformation“ trägt. „Damit jeder versteht, was wir hier machen“, sagt Muhle. Insgesamt investiert er eine siebenstellige Summe in Mitarbeiter, Infrastrukturen, Systeme. Gemeinsam entwickelte man ein Upscale-Modell, das die getätigten Investitionen in den nächsten Jahren vervielfachen soll.
Hybrider Ansatz für die Kunden
Im nächsten Jahr geht der Online-Marktplatz von König Versicherungen an den Start. Die Plattform richtet sich explizit an kleine und mittlere Versicherungsmakler. Sie führt die Vermittler durch ein Menü, zeigt ihnen Vergleichsbeispiele an und stellt am Ende vollautomatisch Angebote und Policen aus. Muhle ist von der Lösung überzeugt: „Für die gewerbliche Versicherung gibt es so etwas noch nicht.“
König Versicherungen sorgt nicht nur für seine eigene Überlebensstrategie, sondern nimmt auch seine Kunden mit. Der kleine Makler aus dem Emsland – so ein Beispiel von Muhle – kann den Malermeister vor Ort immer noch persönlich und kompetent betreuen. Zugleich kann er im Verbund den Online-Versicherungen die Stirn bieten.
Muhle nennt das einen hybriden Ansatz: „Wir bieten unseren Maklern auf der einen Seite einen volldigitalen Prozess und auf der anderen Seite bei Bedarf wie früher die persönlichen und kompetenten Ansprechpartner.“ Er ist überzeugt davon, dass in seinem Geschäft „nie alles nur 2.0“ sein wird. Und trotzdem denkt er schon jetzt über Einsatzmöglichkeiten von Künstlicher Intelligenz nach.
Mehr zum Förderprogramm go-digital
Mit dem Programm go-digital des Bundeswirtschaftsministeriums können kleine, mittelständische und Handwerksbetriebe bis zu 100 Mitarbeitern und maximal 20 Millionen Euro Umsatz gefördert werden. Förderfähig sind Projekte in den drei Modulen "Digitalisierte Geschäftsprozesse", "Digitale Markterschließung" und "IT-Sicherheit". Der Staat fördert maximal 30.000 Euro zu 50 Prozent.
Die Antragstellung übernimmt unbürokratisch ein autorisiertes Beratungsunternehmen. Der Prozess bis zur Bewilligung dauert meist nur wenige Tage. Und er lohnt sich: „Der Topf ist noch gut gefüllt“, sagt Markus Tholema von der HEC GmbH. „Das wissen viel zu wenige.“ Die HEC hilft dabei, den Begriff „Digitalisierung“ zu entmystifizieren. Für KMU identifiziert sie konkrete Umsetzungsansätze und führt Pilotprojekte durch.