Motiv Blockchain - Foto: Gerd Altmann / Pixabay

Neues aus der HEC

Hansebloc: Logistik-Blockchain

28. September 2020 / Annekathrin Gut

Eine Fracht lebens­wich­ti­ger Medi­ka­mente muss gut gekühlt von Bremen nach Paris gefah­ren werden. Den Trans­port über­neh­men mehrere Subun­ter­neh­mer. Wie lässt sich sicher­stel­len, dass die Kühl­kette auf der langen Stre­cke und bei der Über­g­abe von Fahrer zu Fahrer nicht ein einzi­ges Mal unter­bro­chen wird? Klas­si­scher­weise erfor­dert die Abwick­lung einer solchen Fracht viel Kennt­nis und Vertrauen in die Geschäfts­part­ner. Zuver­läs­si­ger und auch einfa­cher könnte ein solcher Trans­port über die Block­chain-Tech­no­lo­gie des nord­deut­schen Forschungs­ver­bunds HANSE­BLOC erfol­gen. Der Proto­typ wurde jetzt fertig­ge­stellt und getes­tet.

Zehn Part­ner aus einem brei­ten Netz­werk von Spedi­teu­ren, IT-Exper­ten und Forschern haben sich an dem zwei­ein­halb­jäh­ri­gen Forschungs­pro­jekt betei­ligt, das von der Logis­tik-Initia­tive Hamburg koor­di­niert wird. Die HEC GmbH aus Bremen hat wesent­lich dazu beige­tra­gen, aus den Anfor­de­run­gen der Logis­ti­ker eine Archi­tek­tur für ein neues System zu erar­bei­ten und mit einem eige­nen Team enga­gier­ter Mita­r­bei­ter den Proto­ty­pen fertig zu stel­len. „Die Block­chain an sich kann für alle Berei­che rele­vant  werden, die Vertrauen in wech­sel­sei­ti­gen digi­ta­len Geschäfts­be­zie­hun­gen benö­ti­gen. Sie stellt ein System bereit, in dem Part­ner Geschäfts­vor­fälle gesi­chert mit oder ohne Bezahl­sys­tem etablie­ren können, ohne dass sie einen über­wa­chen­den Inter­me­diär benö­ti­gen“, sagt Matt­hias Menz, HANSE­BLOC-Projekt­lei­ter bei der HEC.

HANSEBLOC: fälschungssichere Daten und Verträge

Die HANSE­BLOC-Platt­form macht es Logis­ti­kern möglich, Trans­port­da­ten und Gefah­ren­über­gänge fälschungs­si­cher zu doku­men­tie­ren. Smart Contracts stel­len auto­ma­tisch sicher, dass Vertrags­kon­di­ti­o­nen einge­hal­ten werden, um dann zum Beispiel Bezahl­vor­gänge auszu­lö­sen. Mess­da­ten über Posi­tion, Tempe­ra­tur und Erschüt­te­rung von Gütern können eben­falls erfasst werden. Gemel­det von Senso­ren, die zum Beispiel in Palet­ten inte­griert sind, werden diese von Smart Oracles – virtu­el­len Agen­ten – veri­fi­ziert und in die Block­chain weiter­ge­lei­tet. 

Das Beson­dere der nord­deut­schen Logis­tik-Block­chain ist die in dem Gesamt­pro­jekt entstan­dene offene Platt­form, die opti­mal die Zusam­me­n­a­r­beit von Akteu­ren unter­stützt. An ihr können sich weitere Logis­ti­ker und Dienst­leis­ter kosten­güns­tig betei­li­gen. Ein neuer Teil­neh­mer ist bei HANSE­BLOC in weni­gen Minu­ten ange­legt. Die modu­lare Archi­tek­tur ermög­licht es Drit­ten, diese zu erwei­tern, und eigene Dienst­leis­tun­gen zu vertrei­ben – quasi wie im App Store. Ein markt­be­herr­schen­der Einfluss von Platt­form­be­trei­bern oder Zwischen­händ­lern wird so ausge­schlos­sen.

Die Blockchain an sich kann für alle Bereiche relevant werden, die Vertrauen in wechselseitigen digitalen Geschäftsbeziehungen benötigen. Sie stellt ein System bereit, in dem Partner Geschäftsvorfälle gesichert mit oder ohne Bezahlsystem etablieren können.

Matthias Menz, HEC
Erfolgreich getestet: Mitarbeiter aus der Disposition, Lagermitarbeiter und Berufskraftfahrer aus den am Forschungsprojekt beteiligten Firmen prüfen den Prototypen unter realen Bedingungen.

Blockchain für die Logistik-Praxis

Der Verdienst des HANSE­BLOC-Projek­tes ist es, dass es viele Bedür­f­­nisse aus der Praxis der Bran­che mit Hilfe der Block­chain-Tech­no­lo­­gie gelöst hat. Als Ergän­­zung, ohne beste­hende Systeme abzu­lö­­sen: Die Spedi­teure sind mit ihren Syste­­men über eine Schnit­t­­stelle an HANSE­BLOC ange­­bun­­den. 

„Die Block­chain ist keine Tech­­nik, die man einfach benut­­zen kann“, erklärt HEC-Experte Matt­hias Menz. „Sie beschreibt viel­­mehr, wie Daten auf einer verteil­ten Daten­­bank mani­­pu­la­ti­­ons­­si­cher abge­­s­pei­chert werden können. Block­chain Netz­werke brin­­gen in der Regel ein eige­­nes Bezahl­­sys­tem, ein Anwen­­dungs­­f­ra­­me­work und natür­­lich die Block­chain-Daten­­bank mit.“ 

Eine Anwen­­dung für die Logis­tik muss also erst einmal in einem Block­chain-System imple­­men­tiert werden, im Fall HANSE­BLOC einem Ethe­reum-basier­ten. Um das rich­tige Frame­work für die Program­­mie­rung zu finden, sollte man sich Zeit nehmen oder Rat einho­len, empfiehlt der Block­chain-Experte.

Setzt sich Blockchain durch?

Nach der Fertig­stel­lung des Proto­ty­pen und einem umfas­sen­den Praxis­test mit den Logis­tik-Part­nern, gibt es Über­le­gun­gen für ein HANSE­BLOC 2.0. „Wir sind im Austausch mit ande­ren euro­pä­i­schen Block­chain-Projek­ten“, erzählt Menz. „Und wir wollen jetzt weitere Logis­ti­ker anspre­chen, um sie von den Vortei­len der Platt­form zu über­zeu­gen.“ 

Die Block­chain-Tech­no­lo­gie sei eine inter­es­sante Tech­no­lo­gie, die von der Nutzung in den für die Anwen­der inter­es­san­ten Einsatz­mög­lich­kei­ten leben wird, so der Experte der HEC. Als solches werde die Block­chain sicher­lich weiter­hin zuneh­mend einge­setzt werden. 

Der große Hype um die Block­chain ist aktu­ell etwas abge­ebbt. „Für uns ist das ein guter Zeit­punkt, um die Tech­no­lo­gie sinn­voll in neue Anwen­dun­gen zu inte­grie­ren“, sagt Matt­hias Menz. „Und um unsere Kunden dahin­ge­hend zu bera­ten, die Block­chain als eine funk­ti­o­nale Kompo­nente und nicht als Selbst­zweck zu betrach­ten.

Über das Forschungsprojekt HANSEBLOC

HANSE­BLOC ist ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes KMU-zentriertes FuE-Projekt zur Erprobung und Erarbeitung von Blockchain-Lösungen im Logistikkontext. Die Logistik-Initiative Hamburg fungiert im Rahmen des Projekts als Verbund- und Projektkoordinator. 

Das HANSE­BLOC-Konsor­tium besteht aus insge­samt zehn nord­deut­schen Verbund­part­nern aus dem Netz­werk der Logis­tik-Initia­tive Hamburg, darun­ter vier Logis­tik­dienst­leis­ter (Kroop & Co. Trans­port + Logis­tik GmbH, SHOT LOGI­STICS GmbH, Sover­eign Speed GmbH & Tran­si­meksa Inter­mo­dal GmbH), vier IT-Dienst­leis­ter und Block­chain-Exper­ten (Chain­step GmbH, consi­der it GmbH, HEC GmbH & Itemis AG) sowie zwei Hoch­schul­part­ner (HAW Hamburg & Kühne Logi­stics Univer­sity GmbH). Weitere Infor­ma­ti­o­nen über auf der HANSE­BLOC-Projekt­seite: www.hamburg-logistik.net/hansebloc/

Anwendungsfall: Medizintransport Bremen – Paris

Bremen – Paris, das ist die Stre­cke, die ein Kühl­trans­port für Medi­ka­mente nehmen soll. Spedi­teur Nr. 1 bedient aber nur die Route bis nach Aachen (Stre­cke 1) und über­gibt dort den Trans­port an einen Subun­ter­neh­mer. Dieser fährt auf der Stre­cke Aachen – Paris (Stre­cke 2). 

Spedi­teur Nr. 1 kann im HANSE­BLOC-System zuver­läs­sig ein geeig­ne­tes Unter­neh­men auswäh­len, das für den Trans­port von Medi­ka­men­ten auto­ri­siert ist. Preis und Dienst­leis­tung handeln Spedi­teur und Subun­ter­neh­mer aus. Die Auftrags­da­ten werden gesi­chert und digi­tal an den Subun­ter­neh­mer über­mit­telt. 

Die LKW-Fahrer des Spedi­teurs und des Subun­ter­neh­mers bekom­men am Trans­port­tag die Daten des Auftra­ges für Stre­cke 1 und 2 auf ihr Handy geschickt. Die Ladung ist mit Tempe­ra­tur­sen­so­ren verse­hen, um die Kühlung zu über­wa­chen. Die Senso­ren sind mit dem Auftrag in HANSE­BLOC verbun­den. Sie melden regel­mä­ßig die Werte und lösen einen Alarm aus, soll­ten die Werte nicht stim­men.

Der erste Fahrer fährt zum Abholort, der ihm auf seiner Handy-App ange­zeigt wird. Er quit­tiert die Sendung und fährt von Bremen nach Aachen. Der Fahrer des Subun­ter­neh­mers über­nimmt die wert­volle Fracht. Beide Fahrer quit­tie­ren die Über­g­abe über die App, die den Ort und den Zeit­punkt an das HANSE­BLOC-System über­mit­telt. Soll­ten während des Trans­por­tes Schä­den entstan­den sein, kann der Fahrer sie in Text und Bild in der App fest­hal­ten. 

Der Empfän­ger quit­tiert in Paris die Ankunft der Sendung in der Handy-App des Fahrers. Der Empfän­ger bekommt außer­dem das Proto­koll der Senso­ren, die in regel­mä­ßi­gen Abstän­den die Tempe­ra­tur der Sendung gemes­sen haben. Die Daten des Trans­por­tes sind mani­pu­la­ti­ons­si­cher in der Block­chain gesi­chert, aber nur für die Betei­lig­ten sicht­bar.

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Heiko Müller

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