Logistik / Trends und Technologien
Digitale Trends in der Logistik 2022
08. März 2022 / Annekathrin Gut
Trendprognose
Digitale Trends für die Logistik 2022
Welche digitalen Trends bleiben, welche kommen 2022? Das haben wir uns mit Blick auf die Logistik auch dieses Jahr gefragt. Dazu haben wir Thesen von Fachkongressen und aus Branchenmedien ganz genau unter die Lupe genommen und auf ihre Anwendbarkeit für die Logistik abgeklopft. Zusätzlich haben wir unsere Kund:innen befragt und Informationen aus vielen Gesprächen mitgenommen. Lesen Sie hier unsere Trendprognose!
#1 Digitale Strategien für die Nachhaltigkeit
Wie weit können wir unsere Ressourcen ausnutzen, ohne dauerhaften Schaden für Mensch, Umwelt oder Wirtschaft zu erzeugen? Mehr Unternehmen werden künftig ganzheitliche Nachhaltigkeitsstrategien entwickeln. Spätestens seit der Weltklimakonferenz von Glasgow und dem Lieferkettengesetz in Deutschland gibt das auch der Logistik weiteren Antrieb.
Klimaneutraler Containerumschlag, Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes beim Transport, ressourcenschonende Logistikimmobilien und soziale Verantwortung in der globalen Beschaffung sind einige zentrale Handlungsfelder. Auf der Straße zeigt sich das im Trend zu mehr E-Fahrzeugen oder LKW mit Wasserstoffantrieb. In der Lieferkette geht es um ressourcenarme Verpackungen oder die Anwendung von Prinzipien der Kreislaufwirtschaft.
Hier können digitale Lösungen ansetzen: Mit zentralen Buchungsplattformen können Unternehmen Transporte ressourcenschonend bündeln, Leerfahrten vermeiden oder den Transport auf der „letzten Meile“ optimieren. Auch das Lademittelmanagement lässt sich damit verbessern.
Prinzipiell kann jedes Unternehmen die Nutzung seiner Informations- und Kommunikationstechnologien über den gesamten Lebenszyklus ressourcenschonend planen. Das fängt bei der Produktion an, geht über den Einsatz und die Nutzung der Hardware bis hin zu umweltschonender Entsorgung und Recycling – Stichwort Green-IT.
#2 Transparenz in der Supply Chain
Die Krisen und Zwischenfälle der letzten Zeit haben gezeigt, dass Unternehmen in jeder Branche individuelle Wege finden müssen, um Beschaffung und Einkauf robuster zu gestalten. Pandemie, Krieg, Umweltkatastrophen, Streiks, abgeschnittene Transportwege – das Supply Chain Management bekommt intern und extern eine noch größere strategische Bedeutung. Digitale Technologien müssen für die notwendige Transparenz sorgen, anhand derer sich alle relevanten Partner innerhalb der Supply Chain orientieren können.
Die Beschaffungsaktivitäten der Zukunft sind auf kollaboratives Handeln ausgerichtet. Der Einkauf braucht funktionierende Partnernetzwerke aus Lieferanten, Fabriken, Dienstleistern, Logistikern, Importeuren, Prüflaboren etc. Neue digitale Tools müssen über die firmenzentrierten Netzwerke hinausreichen und das sichere Teilen von Daten mit den Partnern ermöglichen. Von dieser Zusammenarbeit, die den Informationsfluss optimiert und Fehler reduziert, profitieren alle Beteiligten durch gesenkte Kosten und bessere Wettbewerbsfähigkeit.
#3 Talente finden und binden mit modernen Tools
Die Logistik-Branche sucht Fachkräfte auf allen Fähigkeitsleveln und in allen Bereichen der Wertschöpfungskette – junge Menschen genauso wie Berufserfahrene. Firmen bleiben nur dann erfolgreich, wenn sie in ihre Arbeitgebermarke investieren und das Recruiting zielorientiert angehen. Für Viele aus den jüngeren Generationen ist neben der Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens zunehmend eine moderne, digitale Arbeitsumgebung wichtig.
Wenn zusätzlich Routinetätigkeiten wegfallen, hat das positive Effekte: Bekommt ein LKW-Fahrer seine Touren zum Beispiel bequem auf das Smartphone geschickt, steigert das nicht nur die Effizienz der Arbeit, sondern sorgt gleichzeitig auch für eine höhere Zufriedenheit. Auch die Mensch-Maschine-Interaktion kann im Arbeitsalltag unterstützen: Die Möglichkeiten beginnen bei Softwareanwendungen auf der Basis von künstlicher Intelligenz, die Standardprozesse automatisieren und Voraussagen treffen können. Sie gehen bis zu Lösungen mit Augmented- oder Virtual Reality, die die Fachleute über ein digitales Interface, zum Beispiel eine Brille oder ein Smartphone, am Arbeitsplatz oder im Trainingsumfeld helfen.
Insgesamt wächst die Komplexität der Aufgaben und nimmt der Grad der Digitalisierung von Tätigkeiten zu. Dem müssen Unternehmen mit Weiterbildung und zielgerichteter Gestaltung von Kommunikation und Wissensmanagement entgegenkommen.
#4 Künstliche Intelligenz und datenbasiertes Entscheiden
Unternehmen erkennen, dass jeden Tag Tausende von Entscheidungen mit Hunderten von Parametern getroffen werden müssen. Das Wissen im Kopf von Disponenten oder Managern reicht dafür immer seltener aus. Neue Technologien wie die künstliche Intelligenz (KI) helfen Unternehmen dabei, Entscheidungen zu finden, komplexe Prozesse zu automatisieren und Vorhersagen zu treffen.
Der sinnvolle und zweckmäßige Einsatz von KI ist der nächste Schritt in der Digitalisierungsstrategie und unterstützt in nahezu allen Bereichen: vom Assistenzsystem, über Lagerkapazitätsberechnung bis zur Instandhaltungsprognose. Das sorgt für mehr Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit.
Ein Beispiel: Immer häufiger müssen Produkte den Aufträgen nahezu in Echtzeit und unter Berücksichtigung der Lieferfristen neu zugeordnet werden, wenn sich die Gesamtsituation ändert. Das gelingt nicht auf der Basis historischer Daten, sondern nur mit vorausschauenden Systemen. Unternehmen, die dazu moderne KI-basierte Algorithmen einsetzen, können diese Herausforderungen schneller lösen.
Auch die öffentlichen Infrastrukturen werden smarter: Häfen entwickeln Smart-Port-Konzepte mit digitalisierten Abläufen zum Warenumschlag auf einer Internet-of-Things-Plattform. Sensoren im Hafengelände messen vor Ort verschiedenste Daten – Wetter, Wasserstand u.a. – und leiten sie sofort zum Informationsaustausch an eine Plattform weiter. Rotterdam optimiert auf diese Weise schon jetzt die Abfertigung von Schiffen, plant die Instandhaltung der Anlagen und erhöht die Sicherheit.
#5 Prozessdigitalisierung mit durchdachten IT-Architekturen
Gewinne lassen sich in der Logistik und im Supply Chain Management vielfach nur durch die Optimierung von Abläufen steigern. Unternehmen müssen ihre Geschäftsabläufe digitalisieren, um Potenziale in Kosteneffizienz und Umsatzsteigerung auszuschöpfen. Digitale Prozesse sind in der Regel effizienter und bilden die Voraussetzung für neue Produkte und Dienstleistungen.
Unverzichtbar ist es, dabei auch die innerbetrieblichen Silos abzubauen. Manche größeren Logistikunternehmen stützten sich auf zwanzig oder mehr IT-Systeme. Das Nebeneinander der Programme verursacht Informationsverzögerungen und hohe Kosten für Schnittstellen, Wartung und Upgrades. Plus eine Menge Ärger.
Die beste Lösung ist oftmals eine kollaborative Netzwerk-Plattform, die die Supply Chain Workflows produktions-, abteilungs- und unternehmensübergreifend zugänglich macht. Ziel ist die Integration der verschiedenen Systeme und damit das Zusammenführen der darin enthaltenen Informationen. Die Kunden profitieren am Ende von dem reibungsloseren und individualisierten Service.
#6 Plattformen mit direktem Draht zum Kunden
Digitale Marktplätze sind auf dem Vormarsch: Industrieplattformen, Data Sharing- und IoT-Plattformen, B2B-Netzwerke, Vergleichs- und Bewertungsportale, Handelsplattformen und vieles mehr. Besonders im Konsumgüterbereich sorgen die Onlineplattformen für hohe Preistransparenz und einen dementsprechenden Preisdruck.
Der direkte Draht zum Kunden wird für Logistiker entscheidend. Auf der Basis digitaler Plattformen gilt es, die Produktion und Lieferung von Artikelvarianten bis hin zur Einzelanfertigung zu managen, das Retourengeschäft im Griff zu haben und die Lieferung zum Endkunden auf den Weg zu bringen. Hinzu kommt die notwendige E-Payment-Technologie. Im B2B-Bereich muss das Streckengeschäft transparent abgewickelt werden. Dank der Plattformökonomie können Logistikunternehmen mit den modernen Anforderungen Schritt halten.
Wie wir zu unseren Digitaltrends kommen
Die Bundesvereinigung Logistik veröffentlicht regelmäßig die Ergebnisse der Studienreihe „Trends und Strategien”. Die Hamburger IT-Strategietage diskutierten die Perspektiven für die Digitalisierung auf CIO-Level. Die Logistik-Initiative „Die Wirtschaftsmacher“ untersucht in ihrem Themenheft „Logistics for Future“ die aktuellen Trends. Weiterhin bietet die fünfte Ausgabe des DHL Trendradars dazu einen Überblick. Logistik Heute befasst sich in verschiedenen Artikeln mit den Zukunftstrends. Darüber hinaus haben wir eine Online-Umfrage unter unseren Kund:innen und Partner:innen gestartet und Anregungen aus zahlreichen Gesprächen in unsere Auswertung einfließen lassen.