Methoden und Wissen
Agil werden: Trainingsprogramm für mehr Bewegung im Unternehmen
07. November 2022 / Annekathrin Gut
Warum spricht eigentlich alle Welt seit ein paar Jahren von „Agilität“ – und meint damit nicht etwa besonders fitte oder sportbegeisterte Menschen, sondern eine Art der Unternehmensführung? Agile Unternehmen gelten als modern. Anders als klassische, nach dem sogenannten Wasserfallprinzip aufgebaute Firmen lassen sie viel zu: Selbstorganisation der Teams, kurze Planungs- und Entwicklungszyklen, Experimentieren mit neuen Methoden, Augenhöhe.
Agile Organisationen sind wendig, effizient, kundenorientiert, technologisch auf dem neuesten Stand. Sie wollen schneller hochwertige Produkte oder Dienstleistungen hervorbringen, flexibel auf Marktveränderungen reagieren – oder besser noch der Entwicklung voraus sein.
Doch wie werden wir nun agil, ganz praktisch? Hier ist das Trainingsprogramm für mehr Bewegung im Unternehmen!
1. Finde heraus, wie komplex du bist
Manches braucht Routine und Zeit. Wahrscheinlicher ist heutzutage aber, dass deine Organisation unter einem hohen Veränderungsdruck steht. Agile Verfahren sind überall dort interessant, wo komplexe Prozesse organisiert werden müssen, viel Kundenorientierung gefordert ist, Innovationen hermüssen oder Kreativität Raum braucht.
Die IT-Wirtschaft hat ausgehend von den USA seit den 90er-Jahren agile Verfahren entwickelt. Den richtigen Rahmen dafür lieferten im Frühjahr 2001 eine Gruppe von Softwareentwicklern (ja, es waren anfangs nur Männer…) mit dem Agilen Manifest. Das Programm entstand während einer Konferenz im US-amerikanischen Utah.
Nach dem Motto „Gut ist, was läuft!“ wollten die Softwareexperten künftig nicht mehr endlos viel Zeit mit Projektplanung verschwenden – die dann doch bald wieder überholt war –, sondern schnell, gut funktionierende Software ausliefern. Veränderungen, ob vom Markt, der Technologie oder dem Kunden angestoßen, sollten leicht umgesetzt werden können. Diese werden sogar als höchst willkommen eingeschätzt, wenn sie zum Vorteil des Kunden genutzt werden können. Ein agiles Team, so die Manifest-Schreiber, könne durch Veränderungen lernen und kontinuierlich besser und effizienter werden.
Den IT-Experten ging es aber nicht um eine permanente Hochleistungsdynamik, sondern darum, den Blick für nachhaltige Entwicklungen zu schärfen und sich auf die wirklich wichtigen Anforderungen zu fokussieren. Eines der zwölf im Agilen Manifest formulierten Prinzipien heißt: „Einfachheit - die Kunst, die Menge nicht getaner Arbeit zu maximieren - ist essenziell.“
Inzwischen gibt es zahlreiche Ansätze, die agiles Management in Wirtschaftsunternehmen verschiedener Branchen, Non-Profit-Organisation oder Behörden anwenden.
2. Mache deinen Geist beweglich
Finde deine Grundhaltung. Bei Agilität geht es um Menschen und die Art und Weise wie sie zusammenarbeiten. Agiles Arbeiten ist für viele Menschen interessant, weil es Individualität und Selbstverwirklichung zulässt. Arbeit stiftet Sinn. Die Vorteile von agilen Methoden bekommt man allerdings oft nur durch erhebliche kulturelle Veränderungen im Unternehmen.
Nur wenn Individuen gut miteinander interagieren, können sie gute Lösungen finden. Diese Erkenntnis stammt ebenfalls von den Schreibern des Agilen Manifests und ist gar nicht so banal wie sie klingt. Lange Zeit standen in der Softwareentwicklung Technologien und Prozesse im Vordergrund. Die Erwartungen der Kunden wurden dagegen oft enttäuscht. Absprachen der Projektbeteiligten klappten nicht und die Stimmung in den Teams war oft ganz unten.
Oberster Maßstab agiler Organisationen ist deshalb die Zufriedenheit des Kunden. Diese erzielt man nur durch eine starke Mitarbeiterorientierung. Agile Konzepte sehen Mitarbeiter als von innen heraus motivierte Menschen. Eines der zwölf Prinzipien des Agilen Manifests lautet: „Errichte Projekte rund um motivierte Individuen. Gib ihnen das Umfeld und die Unterstützung, die sie benötigen und vertraue darauf, dass sie die Aufgabe erledigen.“
In agilen Organisationen arbeiten sich selbst organisierende, interdisziplinär besetzte Teams. Ein vertrauensvolles Arbeiten erfordert neben Methodenkenntnis erhebliche Social Skills – von den Teams über die Führungskräfte bis hin zum Chef oder zur Chefin selbst: Selbstverantwortung, Respekt, Fehlertoleranz und keine Angst vorm Scheitern!
Scrum, ein beliebter Prozessrahmen, um agiles Arbeiten zu ermöglichen, formuliert fünf Grundwerte:
- Offenheit, Veränderung und das Ansprechen von Problemen benötigen Mut. Die Wahrheit hinsichtlich des Projektfortschritts zu sagen, Zusagen zu geben und zu Fehlern zu stehen – auch das erfordert Mut.
- Erfolgreich kann nur sein, wer konzentriert an seiner Aufgabe arbeitet, seine Anstrengungen und Fähigkeiten auf das zugesagte Ziel fokussiert.
- Teams und Kund:innen gehen die Selbstverpflichtung („Commitment“) ein, mit all ihrem Engagement das gemeinschaftlich gesteckte Ziel zu erreichen.
- Ein Team besteht aus unterschiedlichen Menschen. Andere Menschen und ihre Meinungen gilt es deshalb zu respektieren.
- Nur mit Offenheit werden Informationen zeitnah und transparent bereitgestellt. So wissen alle zum Beispiel über das aktuell größte Problem Bescheid und können zur Lösung beitragen.
3. Gehe einen Schritt nach dem anderen
Probiere Agilität zunächst an einem überschaubaren Projekt aus, statt gleich die ganze Organisation umzukrempeln. Agil werden ist ein Prozess, bei dem Kunden, Teams und Dienstleister gleichermaßen lernen müssen. Ein großer Vorteil der Methode ist: Unklare Briefings gehören der Vergangenheit an!
Agiles Arbeiten setzt auf das Prinzip Schritt für Schritt: In kurzen, überschaubaren Planungs- und Umsetzungszyklen werden konkrete Ergebnisse entwickelt und in der Praxis getestet. IT-Entwickler:innen sprechen von iterativen Prozessstrukturen. So kann das Risiko von Fehlplanungen und -kalkulationen reduziert werden. Alle Projektbeteiligten müssen den Fortschritt regelmäßig mit Blick auf das zu erreichende Ziel überprüfen und bei Bedarf die Maßnahmen anpassen. Oberstes Gebot ist Transparenz: Die wesentlichen Aspekte des Prozesses müssen für alle Verantwortlichen jederzeit sichtbar sein.
4. Finde deine Methode
Wähle einen Prozess- oder Handlungsrahmen, mit dem du agile Projekte systematisch angehen kannst. Es gibt unterschiedliche Ansätze. Zum Einsatz kommt, was funktioniert und zum Vorhaben passt. Einige Beispiele:
Lernen vom Designer: Design Thinking
Design Thinking hilft dabei, innovative Lösungen und Produkte zu schaffen. Die Methode folgt dem Gedanken, dass Probleme besser gelöst werden können, wenn Menschen unterschiedlicher Disziplinen in einem die Kreativität fördernden Umfeld zusammenarbeiten, gemeinsam eine Fragestellung entwickeln, die Bedürfnisse und Motivationen von Menschen berücksichtigen und dann Konzepte entwickeln, die mehrfach geprüft werden.
Ran an die bunten Post-its: Kanban
Das Kartensystem Kanban aus Japan ist eine Methode, um Produktionsprozesse zu steuern. Was eigentlich für effizientes Ressourcenmanagement in der Fabrikation erdacht wurde, lässt sich auch aufs Projektmanagement übertragen: Eine Tafel zeigt übersichtlich an, in welchem Bearbeitungsstatus sich Aufgaben gerade befinden. Das geht heute mit Planner-Boards in Softwareprodukten wie Microsoft Teams oder Trello sehr komfortabel auch online.
Sozial im Netz: Kollaborationsplattformen
Auch mit webbasierter „sozialer“ Software lässt sich agil arbeiten, zum Beispiel mit kollaborativen Plattformen wie zum Beispiel Microsoft 365 (Teams, SharePoint, Yammer etc.) oder Confluence von Atlassian. Social Intranet, Social Extranet, Projektmanagement, Ideenentwicklung oder Kundenmanagement: Auch die digitalen Anwendungen erfordern viel Selbstverantwortung, Teamarbeit und Austausch.
Leichtgewicht: Scrum
Ein besonders durchdachter Prozessrahmen ist Scrum, mit dem sich komplexe Projekte durchführen lassen. Scrum wird immer häufiger in der agilen Softwareentwicklung eingesetzt, und mittlerweile auch in jeglichem anderen Umfeld, in dem komplexe Produkte, Services oder Prozesse entwickelt werden sollen. Scrum verbindet effiziente, empirische Prozesssteuerung mit den Werten des Agilen Manifests. Nach Angaben der Entwickler Sutherland und Schwaber: „leichtgewichtig, einfach zu verstehen und schwierig zu meistern“.
5. Bleibe in Bewegung…
Sorge dafür, dass agiles Arbeiten gelebt wird – und zwar täglich. Hilfreich sind zum Beispiel speziell ausgebildete Personen, die sich darum kümmern, dass Informationen fließen und Teams gut zusammenarbeiten.
Lerne zum Beispiel von Scrum. Dessen Spielregeln geben feste Rollen, Ereignisse, Artefakte und Ziele vor. So kümmert sich ein Scrum Master als Moderator darum, sich das gesamte Team bestmöglich auf seinen jeweiligen Auftrag konzentrieren kann und die fünf Grundwerte im Miteinander gelebt werden. In festgelegten Prozessschritten (Sprint Planning, Daily Scrum, Sprint Review und Sprint Retrospective) gleicht das Team regelmäßig den Entwicklungsstand ab und sorgt für Verbesserungen – und das am besten persönlich, von Angesicht zu Angesicht.
6. …lerne und werde immer besser in dem, was du tust!
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Mit Hilfe agiler Methoden werden Teams beweglicher, schneller und liefern eine noch höhere Qualität. Häufig steigt mit dieser Arbeitsform auch die Zufriedenheit der Mitarbeitenden.