Trends und Technologien
Fünf Trends beeinflussen 2024 die Digitalisierung der Logistik
23. Februar 2024 / Ben Leander Rasche
Welche digitalen Trends wirken im Jahr 2024 auf die Logistik? Aufbauend auf unserer Trendvorschau des Jahres 2023 und der vorangegangenen Jahre haben wir auch dieses Jahr unsere Prognose dem fortschreitenden Wandel angepasst: Trends aus den letzten Jahren verändern sich in ihrer Relevanz für die Logistikbranche. Komplett neue Trends gewinnen durch äußere Umstände stark an Bedeutung. Diese fünf Trends werden in diesem Jahr die Logistikbranche und ihre Digitalisierung beeinflussen:
1. Resilienz
Betrachtet man die wesentlichen Aspekte aller Prognosen, stehen Attribute wie „Anpassungsfähigkeit“, „Agilität“, „Flexibilität“ und „Reaktionsfähigkeit“ im Fokus. Sie alle sind Bestandteile des wohl wichtigsten Trends für das Jahr 2024, der Resilienz. Resilienz bezeichnet die Widerstandsfähigkeit gegenüber äußeren Einflüssen und Störungen. Dazu gehört auch die Fähigkeit zur schnellen Regeneration nach Krisen oder Unterbrechungen, wie zum Beispiel bei einer unterbrochenen Wertschöpfungskette.
Resilientes Verhalten lässt sich in drei Fähigkeiten unterteilen: Mit Widerstandsfähigkeit schaffen es Unternehmen, betriebliche Abläufe trotz Problemen aufrechtzuerhalten und Risiken abzufangen. Reaktionsfähigkeit ist die Geschwindigkeit, mit der sich Unternehmen an Risiken anpassen, um deren Auswirkungen zu mindern. Die dritte Fähigkeit ist Antizipation, eine proaktive Einstellung gegenüber der Tatsache, dass sich die Umgebung laufend verändert. Das Ziel besteht darin, flexible und redundante Wertschöpfungsketten aufzubauen.
Was dieser Trend für die Logistik bedeutet
Studien betonen die Bedeutung von Resilienz, da auch die meisten Aspekte der vorher genannten Trends darauf abzielen, ein resilientes Verhalten zu fördern. Dazu gehört zum Beispiel die Stabilisierung von Lieferketten mit dem Ziel, diese widerstandsfähiger zu gestalten. Die jüngste Vergangenheit hat gezeigt, dass es im Wesentlichen vier Gründe für die hohe Anfälligkeit globaler Lieferketten gibt: Der erste ist das vermehrte Auftreten von Naturkatastrophen, die Produktionsprozesse und Transportwege unterbrechen können. Als nächstes stellen die Nachhaltigkeitsverpflichtungen zusätzliche Anforderungen an Logistik-Unternehmen. Als drittes Risiko gelten die angespannten politische Konflikte und damit einhergehende Handelskonflikte wie zum Beispiel der Austritt Großbritanniens aus der EU. Der vierte Risikofaktor sind Pandemien, wie zum Beispiel Covid-19, die den internationalen Handel enorm getroffen hat.
Logistikunternehmen sollten diesen Risiken mit digitalen Lösungen entgegenwirken. Neben der Modernisierung von TMS und Plattformen stärken auch Investitionen in Cybersicherheit die Resilienz. Bei letzterem erwerben Unternehmen die Fähigkeit, IT-Sicherheitsvorfälle frühzeitig zu erkennen, darauf zu reagieren und sich schnell davon zu erholen. Auch hier können digitale Systeme helfen, die Komplexität der Ursache-Wirkungsprinzipien der Risiken zu erkennen und Vorschläge für eine schnelle und adäquate Reaktion auf Unterbrechungen im Sinne eines effektive Krisenmanagements vorzuschlagen.
2. Ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit
Der Trend zu ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltigem Handeln ist kein neues Phänomen mehr. Unter dem Begriff „Green Logistics“ versteht man jegliche Art von logistischen Prozessen, die die Beeinträchtigung auf die Umwelt minimieren. Nachhaltigkeit betrifft die Logistikbranche gleich doppelt. Zum einen ist sie gezwungen, klima-, umwelt- und sozialverträgliche Transportlösungen bereitzustellen. Auf der anderen Seite müssen Unternehmen aber auch dafür sorgen, dass Transportketten unter den sich verändernden Klima- und Umfeldbedingungen zuverlässig funktionieren.
Um auch ökonomisch und sozial nachhaltig agieren zu können, benötigen Unternehmen detaillierte Informationen über die Herkunft und Herstellung ihrer Produkte oder der Vorprodukte. Digitale Technologien helfen dabei, Nachhaltigkeitsparameter, wie zum Beispiel den CO2-Footprint zu messen, Ineffizienzen zu erkennen und dadurch Logistikketten zu optimieren und Emissionen zu verringern.
Was dieser Trend für die Logistik bedeutet
Ab dem Geschäftsjahr 2024 müssen bestimmte Unternehmen in den EU-Staaten jährlich Nachhaltigkeitsberichte nach ESRS veröffentlichen und dafür entsprechende Daten erheben. Digitale Tools können Unternehmen dabei unterstützen, ihre Berichtspflichten effizient und gesetzeskonform umzusetzen. Diese Systeme helfen dabei, aus den operativen Daten und aus den Finanzdaten die nötigen Informationen für die Reports zu ermitteln und diese digital zu aufzubereiten.
Eine weitere EU-Forderung mit der Bezeichnung „European Green Deal“ hat die Reduktion des CO2-Ausstoßes in der Logistik insbesondere bei Zugmaschinen, Flugzeugen und Schiffen zum Ziel. Ausgehend vom Jahr 2019 soll der CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2025 um 15 Prozent, bis 2030 um 30 Prozent und bis 2050 um 100 Prozent reduziert werden. Hierbei könnte der Digitalisierung des Transportmanagements eine wichtige Rolle zukommen: Mit Plattformlösungen können Logistikunternehmen ihre Fahrten effizienter planen oder sogar anbieterübergreifend „poolen“. Damit werden Leerfahrten vermieden und in der Folge CO2-Emissionen reduziert.
Die Ziele einer umweltorientierten und wirtschaftlichen Nachhaltigkeit zu erreichen, dazu trägt auch die Mehrweglogistik bei. Hierbei werden im inner- und außerbetrieblichen Transport sowie in der Lagerung und Kommissionierung von Gütern standardisierte und somit mehrmals verwendbare Behälter genutzt. Im Sinne eines Lean-Management-Ansatzes wird die außerbetriebliche Organisation solcher Behälter-Pools meist durch einen Dienstleister übernommen. Digitale Plattformen bilden den Prozess der Mehrweglogistik ab und ermöglichen das Tracking sowie eine effiziente Planung aller verfügbaren Einheiten.
3. Digitalisierung
Kein neuer Trend, sondern die Grundlage für jedes modernen Unternehmen ist weiterhin die Digitalisierung. Sie treibt kontinuierlich technische Innovationen voran, die zum einen bislang erfolgreiche Geschäftsmodelle in Frage stellen und zum anderen die Grundlage für neue, mitunter disruptive Geschäftsmodelle bilden. Automatisierung und Softwareunterstützung von Prozessen sowie IoT oder künstliche Intelligenz verbessern die Effizienz von Wertschöpfungsprozessen.
Digitale Technologien ermöglichen es, Produkte und Dienstleistungen individuell auf die Bedürfnisse einzelner Kunden zuzuschneiden. Individualisierung ist damit kein kostspieliges Unterfangen mehr – und das führt wiederum zu einer verbesserten Kundenerfahrung. Dem dadurch ausgelösten Veränderungsdruck kann sich kein Unternehmen ernsthaft entziehen. Unternehmen, die diese Chancen wahrnehmen, können so ihre Markposition behaupten und ausbauen.
Die Digitalisierung ist ein Werkzeug und zugleich die Grundlage für das wirtschaftliche Nutzen der bereits genannten Trends Resilienz und Nachhaltigkeit. Nur mit Hilfe digitalisierter Geschäftsprozesse ist es möglich, die notwendige Datenbasis für die Nachhaltigkeitsberichterstattung zu schaffen. Auch ganz praktisch ermöglichen Predictive Analytics eine ressourcenschonende Planung, indem alle Zahlen, Daten und Fakten zusammengeführt werden. So wird diese Komplexität beherrschbar. Auch Resilienz basiert auf zuverlässigen Prognosen sowie auf sicherheitstechnisch zuverlässigen IT-Systemen.
Was dieser Trend für die Logistik bedeutet
Eine umfassende Automatisierung ist ein Schlüssel für die zukünftige erfolgreiche Entwicklung der Logistik. Sie gelingt mit Hilfe von Datenmanagement, künstlicher Intelligenz und IoT-Anwendungen.
Die Einsatzfelder und die positiven Effekte sind vielfältig: Lager können vollautomatisch bewirtschaftet oder ihr Bestand per Drohne überprüft werden. Fahrerlose Transportsysteme lassen sich in Produktionshallen automatisiert steuern oder bewegen autonom zuverlässig Gegenstände auf dem Werksgelände. Logistikprozesse sind dadurch weniger von den Arbeitszeiten und der Verfügbarkeit von Mitarbeitenden abhängig.
Die Logistik muss sich der Herausforderung stellen, einen hohen Güterumschlag zu gewährleisten und gleichzeitig den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Innovative Digitallösungen bieten die Chance, vorausschauender zu planen und Leerfahrten zu reduzieren. Systeme auf der Basis von Predictive Analytics sorgen zudem dafür, die Wahrscheinlichkeit von Störungen aufzuzeigen, wie zum Beispiel Staus oder besondere Wetterereignisse.
4. Fachkräftemangel
Die Bedeutung des Themas Personal und Fachkräftemangel wurde bereits in unserer Trendprognose für 2023 betont. Im Fokus standen dabei die digitale Unterstützung und Entlastung von Fachkräften. Sinkende Erwerbstätigenzahlen verstärken weiterhin den sogenannten 'War of Talents'. Unternehmen, nicht nur im Logistikbereich, müssen attraktivere Arbeitgeber werden, um dem Personalmangel entgegenzuwirken, und sie müssen dazu zwangsläufig in vielen Bereichen umdenken.
Die digitale Transformation kann die Attraktivität eines Unternehmens enorm erhöhen. Moderne Arbeitsweisen und Anwendungslandschaften schaffen attraktive Arbeitsgrundlagen und helfen, gut ausgebildete Fachkräfte an das Unternehmen zu binden. Gängig sind heute agile Arbeitsweisen sowie digitale Kollaborationstools, die es den Beschäftigten ermöglichen, dezentral – zum Beispiel im Homeoffice – zu arbeiten. Um der Dynamik der Märkte sowie den Anforderungen der Kunden gerecht zu werden, müssen die Unternehmen kontinuierlich in die Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden investieren.
Was dieser Trend für die Logistik bedeutet
Eher unbegründet ist heute die Sorge, dass die Digitalisierung viele Jobs wegnehmen würde. Stattdessen überwiegen auch in der Logistik die Vorteile bei der Bewältigung des Fachkräftemangels. Intelligente Systeme und Prozesse entlasten und unterstützen die Mitarbeitenden in Disposition und Planung. Nicht nur im Büro, sondern auch hinter dem Lenkrad oder im Lager können digitale Systeme Fachkräften gute Dienste leisten. Intelligente Plattformlösungen können beispielsweise für eine bessere Auslastung und Routenplanung sorgen und somit Leerfahrten vermeiden. Automatische Hochregallager, Regalbediengeräte und moderne Fördertechnik im Zusammenspiel mit einer digitale Steuerung reduzieren den manuellen Aufwand bei der Lagerbewirtschaftung.
5. Cybersicherheit
Während der Corona-Pandemie hat sich die Bedrohung durch Cyberkriminalität verschärft, unter anderem durch die Zunahme an E-Commerce-Aktivitäten und der globalen digitalen Vernetzung. Laut dem BCI Supply Chain Resilience Report 2023 bilden Cyberangriffe und Datenschutzverletzungen auch in den nächsten Jahren die größten Bedrohungen für die Lieferketten. Unternehmen räumen diesem Thema oft noch keine ausreichend hohe Priorität ein.
Mit der fortschreitenden digitalen Transformation entstehen vollkommen neue Möglichkeiten für Cyberkriminalität. Insbesondere innovative digitale Prozesse sind in ihren frühen Phasen häufig noch nicht ausreichend erprobt und somit anfälliger für Cyberangriffe. Der Schaden, der durch solche Attacken in Unternehmen verursacht wird, beläuft sich oft auf Millionen und macht die Investition in IT-Sicherheit immer dringlicher.
Was dieser Trend für die Logistik bedeutet
Um Logistikunternehmen präventiv auf Cyberattacken vorzubereiten, gibt es verschiedene Maßnahmen. Dazu zählen Security-Awareness-Schulungen, welche die Mitarbeitenden aufklären und somit das Risiko minimieren. Auf der technischen Seite sind VPN-Zugänge zum Firmennetzwerk sowie mehrfach gesicherte Firewalls präventive Methoden.
Heute schon können KI-Systeme dabei helfen, Angriffe auf kritische Systeme, sensible Informationen und Geräte zu erkennen und so vor Cyberbedrohungen zu schützen. Dazu gehören Schutz-, Erkennungs- und Reaktionswerkzeuge, die nicht nur Angriffe verhindern, sondern auch aktiv Bedrohungen vorhersagen, selbstständig erkennen und auf Angriffe reagieren.
Ein effizienter Weg, um Software sicher zu machen, ist es, die Security-Anforderungen schon bei der Entwicklung zu berücksichtigen. Besonders individuelle Softwaresysteme bieten einen enormen Vorteil gegenüber Standardsoftware, wenn von Anfang an auf die Sicherheit in den Systemen geachtet und dies kontinuierlich im Entwicklungsprozess überprüft wird.
Interesse an digitalen Trends in der Logistik? Sprechen Sie mich an!
Wie wir zu unseren Digitaltrends kommen
Einmal im Jahr werten wir aktuelle Fachmedien hinsichtlich des Digitalisierungspotenzials von Trends in der Logistik aus - allen voran die Trend-Studie der BVL "Triple Transformation" und das Themenheft "Logistics for Future" der Wirtschaftsmacher. Darüber hinaus haben wir unsere Kolleg:innen und Kund:innen befragt und Anregungen aus eigenen Trend-Workshops in unsere Auswertung einfließen lassen.
- BVL: Triple Transformation - Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Resilienz als Leitlinien zukunftsfähiger Wertschöpfungsketten
- BVL: Resilienz als neue Zielfunktion globaler Wertschöpfungsketten
- BCI: BCI Launches Supply Chain Resilience Report 2023
- Business wire: Cyber Threats Have Increased 81% Since Global Pandemic
- Connect Professional: 81 Prozent mehr Cyberbedrohungen seit Pandemie-Beginn
- Die Wirtschaftsmacher: Themenheft Logistics for Future: Innovativ, Digital, Nachhaltig
- DHL: Logistics Trend Radar
- Forbes: Six Trends For Shipping And Logistics Globally In 2024 And Beyond
- Logistik Express: Was ist New Work und welche Auswirkungen hat es auf den Arbeitsmarkt?
- Mind Logistik: CSRD und ESRS – Was bedeuten die neuen Richtlinien für Ihr Unternehmen?
- Produktion: Das sind die drei größten Risiken in der Logistik
- PWC: Nachhaltigkeit in Transport und Logistik
- RatioForm: Logistik-Trend: Individualisierung in der Industrie 4.0
- Zukunftsinsitut: Die Individualisierung der Welt
- Zukunftsinstitut: Resilienz: Zukunftskraft für Mensch, Gesellschaft, Wirtschaft und Planet