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Methoden und Wissen

Agilität - Trend oder Notwendigkeit?

11. Mai 2018 / Christian Seedig

Gründe, warum Unternehmen Agilität brauchen

Agili­tät - Trend oder Notwen­dig­keit?

Im Bera­tungs­kon­text sind wir häufig mit dem Auftrag unter­wegs, Agili­tät zu fördern, einzu­füh­ren, wieder zu bele­ben oder wie auch immer der jewei­lige Kunde es bezeich­net. Warum möch­ten unsere Kunden das? Und über­haupt: Warum brau­chen wir Agili­tät?

Begriffserklärung

Agili­tät kann man bezeich­nen als die Ober­menge aller agilen Ansätze. Diese stam­men im Ursprung aus dem Bereich der Soft­wa­re­ent­wick­lung und wurden durch Metho­den wie Extreme Program­ming und Scrum popu­lär. Heute in aller Munde. Obwohl das Thema bereits seit dem frühen zwan­zigs­ten Jahr­hun­dert exis­tiert wurde der Begriff maßgeb­lich geprägt durch das „Manifesto for Agile Software Development (Agile Manifesto)“, und die dahinterstehenden Prinzipien aus dem Jahre 2001.

Durch die zuneh­men­den Heraus­for­de­run­gen, die Märkte an Orga­ni­sa­ti­o­nen stel­len, gewin­nen diese Ansätze auch außer­halb der Soft­wa­re­ent­wick­lung immer mehr an Bedeu­tung. Gene­rell kann man sagen, agile Organisationen basieren auf drei Säulen:

  • Anpas­sungs­fä­hig­keit
  • Proak­ti­vi­tät und
  • Inno­va­ti­ons­fä­hig­keit.
Das Funda­ment dafür bilden
  • Trans­pa­renz
  • ein agiles Mind­set
  • selbst­or­ga­ni­sierte Teams und das
  • agile Vorge­hen von „inspi­zie­ren und anpas­sen”.

Früher ging es doch auch ohne Agilität – ein Wort zum Taylorismus

Insbe­son­dere Unter­neh­men, die schon viele Jahr­zehnte am Markt sind, sind nach­hal­tig geprägt durch die Ansätze des Taylorismus: Frederick W. Taylor begründete Ende des neunzehnten Jahrhunderts das Prinzip des “Scientific Management“, besser bekannt als Taylorismus, welches eine starke Fokussierung auf prozessgesteuerte Arbeitsabläufe legte. Dieses Prinzip sorgte lange Zeit dafür, dass produzierende Unternehmen insbesondere in der industriellen Massenfertigung ihre Prozesskosten senken und dadurch erfolgreich werden konnten. Führungskräfte und Manager wurden demgemäß erzogen, nach diesem Prinzip zu arbeiten. Das bekannte Ergebnis daraus war ein Management-Stil, der heute gern als „command & control“ bezeichnet wird, bei dem „control” buchstäblich für die Kontrolle der Prozesseinhaltung der Mitarbeiter steht. Es entwickelten sich also Mitarbeiter zu Zahnrädern in der Maschine, die dem primären Unternehmensziel -der Gewinnmaximierung – dient. Jahrzehntelang wurden Unternehmen munter zielgerichtet „ge-streamlined“ und die ihre Mitarbeiter dazu erzogen die Prozesse zu befolgen, damit der Output stimmt. Und hinterfragen durften sie schon gar nichts. Führungskräfte wurden parallel darauf ausgerichtet ihre Mitarbeiter möglichst reibungsfrei in diese Prozesse zu integrieren. Gemessen und oftmals auch entlohnt wurden sie an den Leistungskennzahlen Ihrer Mitarbeiter, was den Prozessfokus und die Uniformität ihrer Mitarbeiter noch weiter fördert.

Was in der Produktion funktionierte, kann ja nicht falsch sein, oder?

Wie es dann so ist mit funk­tio­nie­ren­den Prin­zi­pien wurden diese irgend­wann auch in nicht produ­zie­ren­den Bran­chen wie z.B. der Dienst­leis­tung und der Wissens­a­r­beit etabliert, deren Märkte aber komplett anders funk­tio­nie­ren. Für alles wurden Prozesse erzeugt und laufend opti­miert.  Wir verdeut­li­chen das mal so: Man kann Werk­zeuge auch anders als zweck­be­stimmt einset­zen. Nahezu alle Heim­wer­ker haben schon einmal mit einen Schrau­ben­zie­her gehäm­mert. Kann man machen und klappt oftmals auch – ist aber eben nicht optimal – weder für Werkzeug noch für das Ergebnis und ganz sicher nicht für die Zukunft. Und genau das gilt für den Einsatz prozessoptimierender Prinzipien in einer Branche in dem es um Menschen statt Maschinen geht.

Einher­ge­hend mit einem Wandel weg von der Produktion hin zur Dienstleistung nahm somit auch die Kritik am Taylorismus stetig zu.

Aber es funktioniert nicht: Wegen der Kunden …

In einem Markt, indem der Anbie­ter bestimmt was der Kunde kauft funk­tio­nie­ren taylo­ris­ti­sche Ansätze auch heute noch prima. Lars Voller und Mark Poppen­borg von Intrin­sify!me spre­chen in diesem Falle von einer “Wertschöpfung der Norm“, in welcher der Prozess die zentrale Erfolgskomponente darstellt. Viele von uns kennen sicherlich das Zitat von Henry Ford aus dem Jahre 1927 „Sie können einen Ford in jeder Farbe haben, Hauptsache sie ist schwarz“. Nun hat sich die Welt seit diesem Zitat weiterentwickelt und in nahezu allen Märkten sieht sich ein Überangebot an Anbietern wenigen Nachfragern gegenüber. Die Märkte werden sehr viel kleiner und segmentieren sich durch eine Vielzahl an unterschiedlichen Angeboten sehr stark. Diese Segmentierung basiert sehr stark auf einem anderen Nachfrageverhalten, welches wiederum durch neue Optionen angefeuert wird.

… der ultrakurzen Innovationszyklen …

Wer von uns hätte 2006 ein Tele­fon gebraucht, das keine Tasten hat? Ebenso viel Kopf­schüt­teln hätte man sicher­lich 2014 geern­tet wenn man im Bekann­ten­kreis erzählt hätte, dass zuhause Alexa buntes Licht an- und ausschal­tet und den Wetter­be­richt sowie die Nach­rich­ten kennt und den Witz des Tages zum Besten gibt. An solchen Inno­va­ti­o­nen, die es nicht nur in tech­no­lo­gi­schen Märk­ten gibt, kann man deut­lich die Verän­de­run­gen able­sen, die sich erge­ben haben und wie schnell solche Verän­de­run­gen eintra­ten. Heute profi­tie­ren in den meis­ten hochinnovativen Märkten nur zwei Teilnehmer. Der Erste, der den Markt mit Produkten versorgt hat und der Beste, der am Markt aktiv ist. Die Klassische „cash cow” unter den Produkten mit durchoptimiertem Produktionsprozess wird immer seltener auf den Weiden des Erfolges anzutreffen sein. Heute ist es für Organisationen wichtig die Kunden nicht zu verärgern (#NutellaGate) und Produkte anzubieten von denen die Kunden noch gar nicht wissen, dass sie diese unbedingt haben müssen (#Tesla, #SolarRoof). Der Erfolg für die Organisationen liegt hier in der “Wertschöpfung der Ausnahme”, also der Geschwindigkeit, in der eine Organisation in der Lage ist Ideen zu erzeugen, diese zu bewerten, weiterzuentwickeln und testweise in den Markt zu bringen – und auch wieder zu verwerfen.

… und der selbstbewussten Arbeitnehmer

Neben diesen schon anspruchs­vol­len Heraus­for­de­run­gen durch die Märkte kommt für die Orga­ni­sa­ti­o­nen das verän­derte Bewusst­sein der Mita­r­bei­ter dazu. Dieser sieht sich nicht mehr als Zahn­rad in einer Maschine und lässt sich auch immer weni­ger an die Orga­ni­sa­tion anpas­sen. Mita­r­bei­ter blei­ben vermehrt Indi­vi­duen und lassen sich nicht mehr einfach so an die Orga­ni­sa­tion anpas­sen. Viel­mehr wird die Orga­ni­sa­tion defi­niert durch die Mita­r­bei­ter und die Kultur, die diese mit einbrin­gen. Das Span­nungs­feld zwischen Karriere und Fami­lie bewegt sich in der aktu­el­len Zeit deut­lich in Rich­tung Fami­lie. Die Orga­ni­sa­ti­o­nen müssen daher in der Lage sein auf die individuellen Wünsche der Mitarbeiter einzugehen. Das fängt bei Hardware-Ausstattung an und geht bis hin zu einer mehrmonatigen Auszeit, die sich immer mehr Mitarbeiter nehmen. Aussagen wie: „Das funktioniert bei uns nicht“ oder „Der Prozess sieht das nicht vor“ lassen sich die Mitarbeiter heute nur noch selten gefallen. Und in einem „war for talents“, wie der Fachkräftemangel so gern neudeutsch in den HR-News zitiert wird, sind die „tollen“ Prozesse im Unternehmen genauso ein Rohrkrepierer wie die „tollen“ Aufstiegsmöglichkeiten.

Fazit: Was ist zu tun?

Um auf diese Verän­de­run­gen aus der Inwelt einer Orga­ni­sa­tion sowie auf die Einflüsse der Umwelt reagie­ren und damit lang­fris­tig konkur­renz­fä­hig blei­ben zu können, sind Entschei­dungs- und Hand­lungs­schnel­lig­keit erfor­der­lich. Aus den oben genann­ten Grün­den ist das in klas­sisch-hier­a­r­chi­schen Orga­ni­sa­ti­o­nen nicht möglich. Hier können agile Denkweisen und von den Mitarbeitern selbst gesteuerte Prozesse dazu beitragen, auch langfristig den Unternehmens- oder Projekterfolg zu sichern. Denn eines ist so sicher wie das letzte Wort im Gebet: Was die letzten 50 Jahre funktioniert hat wird in den nächsten fünf Jahren den Erfolg negativ beeinflussen. Je früher eine Organisation sich dessen bewusst wird und den Wandel einleitet, desto besser wird sie am Markt bestehen können. Und nein: einen Kickertisch zu kaufen reicht dazu nicht aus.

Die HEC Toch­ter­ge­sell­schaft Kurswechsel berät Unternehmen, die ihre Strukturen verändern wollen.

Ein Beitrag von

Christian Seedig

Agile Beratung und Microsoft 365

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